Urzeitliche Riffbaumeister: In Namibia haben Forscher Überreste eines 550 Millionen Jahre alten Riffs entdeckt. Das Besondere daran: Erbaut wurde es nicht von Einzellern, wie in dieser Ära typisch, sondern von frühen Mehrzellern. Sie zementierten sich und ihre Schalen mit Kalk zusammen und bildeten so im Laufe der Zeit Riffe. Die ersten mehrzelligen Organismen schafften damit früher als gedacht den ökologischen Sprung zum Riffbaumeister, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Im Ediacarium, vor rund 600 bis 541 Millionen Jahren, entwickelten sich die ersten Organismen, deren Körper aus mehrzelligen Geweben bestand. Sie besaßen noch keinerlei feste Skelette oder Schalen und ähnelten Würmern, Quallen oder Seefedern. Das allerdings änderte sich am Ende dieser Ära: Vor rund 550 Millionen Jahren tauchten erste Tiere mit harten Kalkhüllen auf, wie Fossilfunde zeigen.
„Die Entstehung und schnelle Ausbreitung von Mehrzellern mit harten Bestandteilen ist eines der dramatischsten Ereignisse der Evolution“, erklären Amelia Penny von der University of Edinburgh und ihre Kollegen. Denn damit hatten Organismen ganz neue Möglichkeiten für Wachstum und Verteidigung und die Ökosysteme im Urzeitmeer erlebten tiefgreifende Veränderungen. Wann diese frühen Mehrzeller begannen, diese Biomineralisation auch zum Bauen von Riffen zu nutzen, war jedoch unklar – bis jetzt.
Zement als Hafthilfe
Als Forscher in der Nähe der Ortschaft Rietoog in Namibia Ausgrabungen durchführten, stießen sie im Sediment der sogenannten Nama Group auf Relikte von Kalksteinriffen aus dem Ediacarium. Die rund 550 Millionen Jahre alten Ablagerungen bestanden auf den ersten Blick aus den typischen, hügelartigen Mikrobenriffen dieser Zeit. Doch nähere Untersuchungen enthüllten, dass dazwischen auch Kolonien von Cloudina saßen – kleinen, Kalkröhren bildenden Mehrzellern.