Bedrohte Bohne: Der Klimawandel setzt der Kaffeeindustrie in Äthiopien zu. Eine Studie zeigt: Steigen die Temperaturen ungebremst an, könnten bis zum Ende dieses Jahrhunderts bis zu 60 Prozent der heutigen Anbauflächen für die Kultivierung der Bohne unbrauchbar werden. Ein Ausweichen auf höhere Lagen könne den Verlust zwar zunächst ausgleichen. Langfristig werde jedoch nur der Kampf gegen die Erderwärmung Äthiopien als Wiege des Kaffees und größten Kaffeeproduzenten Afrikas bewahren, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Nature Plants“.
Ob als Cappuccino oder Espresso, gebrüht oder gefiltert: Kaffee ist eines der beliebtesten Getränke der Welt und für viele Menschen unentbehrlich. Geschätzt wird das schwarze Gold als Muntermacher am Morgen ebenso wie als wohlschmeckender Begleiter durch den Tag. Außerdem entpuppt es sich immer mehr als Gesundmacher. So könnte Kaffeetrinken unter anderem vor Leberzirrhose schützen, Diabetes vorbeugen und sogar unsere DNA vor Brüchen bewahren.
Doch es gibt ein Problem: Die Zukunft des koffeinhaltigen Bohnengetränks ist durch den Klimawandel bedroht. Bereits vor einigen Jahren warnten Forscher davor, dass wilder Arabica-Kaffee bis 2080 vollständig ausgestorben sein könnte. Denn die zunehmende Erderwärmung lässt die geeigneten Lebensräume für diese wichtige Kaffeesorte schwinden. Die zwei weltweit bedeutendsten Kaffeeproduzenten, Brasilien und Vietnam, verzeichnen schon seit Jahrzehnten drastische Einbußen bei der Ernte.
Wiege des Kaffees in Gefahr?
Ähnlich hart könnte es einer neuen Studie zufolge Äthiopien treffen – jenes Land, das als Wiege des Kaffees und Urheimat des Arabicas gilt und außerdem der größte Kaffeeproduzent in Afrika ist. Bereits heute sehen sich die Kaffeebauern dort mit steigenden Temperaturen und Niederschlagsmangel konfrontiert. Wissenschaftler um Justin Moat von der University of Nottingham haben nun untersucht, wie sich der Klimawandel in Zukunft auf diesen Wirtschaftszweig auswirken könnte, der immerhin rund 15 Millionen Äthiopiern den Lebensunterhalt sichert.
Für ihre Analyse nutzten die Forscher hochaufgelöste Satellitenbilder der Anbauregionen im äthiopischen Hochland und kombinierten diese mit aufwendigen Modellsimulationen. Dabei berechneten sie, wie unterschiedliche Klimaszenarien den Kaffeeanbau in diesen Gebieten beeinflussen. Auf diese Weise bewerteten sie für jeden Quadratkilometer des Landes, wie gut dieser zu einem bestimmten Zeitpunkt noch für den Anbau der Kaffeepflanze geeignet sein wird.
Potenzielles „Desaster“
Das Ergebnis: 39 bis 59 Prozent aller heutigen Kaffeeanbauflächen könnten bis zum Ende dieses Jahrhunderts so gravierende Klimaveränderungen erleben, dass sie für die Kultivierung des Exportschlagers unbrauchbar werden – nämlich dann, wenn nichts gegen den Klimawandel getan wird und sich die Erde im Schnitt um vier Grad erwärmt.
„Eine ‚business as usual‘-Strategie könnte für die Kaffeewirtschaft in Äthiopien langfristig zum Desaster werden“, konstatiert Moat. Doch es gibt Hoffnung. So zeigen die Simulationen der Forscher auch: Weichen Farmer für den Anbau in höhere Lagen aus, werden Wälder aufgeforstet und geschützt, kann die Kaffeeproduktion sogar bei steigenden Temperaturen verbessert werden. Das hieße aber auch, dass sich Bauern aus den ursprünglichen Kaffeeregionen neu orientieren müssten.
Folgen für den Kaffeegenuss weltweit
„Wir wissen nun, was getan werden muss, um den äthiopischen Kaffeesektor fit für den Klimawandel zu machen – zumindest bis zum Ende dieses Jahrhunderts“, sagt Mitautor Aaron Davis von den Royal Botanic Gardens in Kew. „Auf längere Sicht ist die einzig nachhaltige Lösung jedoch, die Ursachen des Klimawandels zu bekämpfen.“
Die Zukunft des Kaffees in Äthiopien könnte nach Ansicht von Mitautor Sebsebe Demissew von der Addis Ababa Universität in Äthiopien Auswirkungen auf den Kaffeegenuss weltweit haben: „Wilder Arabica-Kaffee stammt aus den Hochlandwäldern Äthiopiens und ist unser Geschenk an die Welt. Unser Land beheimatet die größte genetische Vielfalt dieser Kaffeesorte. Was hier passiert, könnte deshalb langfristig auch die Kaffeeproduktion auf globaler Ebene beeinflussen“, schließt er. (Nature Plants, 2017; doi: 10.1038/ncomms15568)
(Royal Botanical Gardens Kew/ Nature, 21.06.2017 – DAL)