Von den Umständen verleitet: Menschenaffen sind genauso anfällig für vermeintliche Vorteile wie wir, wie ein Experiment von US-Forschern belegt. Schimpansen und Bonobos bekommen lieber ein Stück Obst hinzu, statt sich eines wegnehmen zu lassen – selbst wenn sie in beiden Fällen am Ende gleichviel behalten. Dieser sogenannte Framing-Effekt hat demnach sehr viel tiefere biologische Wurzeln als bisher angenommen, wie die Forscher im Fachmagazin „Biology Letters“ berichten.
Zu 25 Prozent Fett: Wird ein Burger in der Werbung so beschrieben, sind wir wohl kaum geneigt ihn zu kaufen. Aber zu 75 Prozent „mager“ hört sich schon ganz anders an, oder nicht? Wir Menschen lassen uns im Alltag nicht nur durch die bloßen Fakten leiten, wir beziehen immer auch den Kontext mit ein. Wenn es beispielsweise um eine Kaufentscheidung geht, lassen wir uns eher von positiven Vergleichen überzeugen. Wir bevorzugen sozusagen das halbvolle Glas gegenüber dem halbleeren – obwohl in beiden genauso viel drin ist.
Auch Sonderangebote erscheinen uns deshalb attraktiv: Die Aussicht, Geld sparen zu können, ist so verlockend, dass wir zugreifen, selbst wenn die Ware letztlich sogar teurerer ist als anderswo. Psychologen bezeichnen dies als Framing-Effekt. Aber woher kommt dieser Effekt? Lange glaubten Forscher, dass wir uns diese Anfälligkeit im Laufe unserer kulturellen Entwicklung oder durch unsere Art der Sozialisation angeeignet haben. Ob schon unsere frühen Vorfahren den Framing-Effekt kannten, war unklar.
Der Obst-Test
Christopher Krupenye von der Duke University in Durham und seine Kollegen haben daher bei unseren nächsten Verwandten nach Hinweisen gesucht: Schimpansen und Bonobos. Im Experiment konnten die Affen zwischen einer Handvoll Nüsse und dem bei ihnen beliebteren Obst wählen. Doch ihre Wahl wurde durch die Begleitumstände ein wenig erschwert.
Beim ersten Durchgang präsentierten die Forscher die Obstwahl positiv: Entschieden sich die Menschenaffen für die gesunde Option, bekamen sie mit 50-prozentiger Chance eine Überraschung – ein zweites Stück Obst. Im zweiten Durchgang war der Kontext dagegen negativ: Die Forscher boten den Affen nun zwei Stücke Obst an. Fiel ihre Wahl auf diese, wurde ihnen jedoch mit 50 prozentiger Wahrscheinlichkeit das zweite Stück wieder weggenommen.
In beiden Durchgängen war die Chance damit genau gleich, am Ende ein oder zwei Stücke Obst zu haben. Der Unterschied bestand nur darin, dass die Situation im ersten Fall positiv geprägt war – Ich gewinne was hinzu – im zweiten dagegen negativ.
Effekt ist tiefer verwurzelt als gedacht
Die Ergebnisse erwiesen sich als eindeutig: Die Schimpansen und Bonobos bevorzugten immer dann das Obst, wenn ein Gewinn anstatt eines Verlustes simuliert wurde – obwohl sie in beiden Szenarios am Ende genauso viel Obst erhalten würden. Außerdem fanden die Forscher heraus, dass diese Neigung besonders bei männlichen Tieren stark ausgeprägt ist –warum ist noch unklar
„Die Tatsache, dass Schimpansen und Bonobos, unsere nächsten lebenden Verwandten, die gleichen Neigungen zeigen, lässt vermuten, dass dieses Verhalten tief in unserer Biologie verwurzelt ist“, konstatiert Krupenye. Das allerdings bedeutet auch, dass es schwieriger für uns Menschen ist, diese so fest verankerte Verhaltensweise abzustellen, bemerkt der Forscher. Das Wissen um den Framing-Effekt lässt sich demnach bestens ausnutzen, beispielsweise in der Werbung oder im Marketing. Man kann aber auch Umgebungen und Bedingungen schaffen, die eine möglichst unbeeinflusste Entscheidung begünstigen. (Biology Letters, 2015; doi: 10.1098/rsbl.2014.0527)
(Duke University, 12.02.2015 – MAH)