Biotechnologie

Aktin: Passiver Partner für enge Bindung gefunden

Forscher sind einem der häufigsten und wichtigsten Proteine auf der Spur

Muskelprotein Aktin © NIH

Das Eiweiß Aktin ist beteiligt an Stabilität, Bewegung und Transportprozessen von Zellen, aber auch an der Muskelarbeit. Entsprechend intensiv wird das Protein erforscht – auch in Hinsicht auf die Entstehung von Krankheiten wie Krebs. Markermoleküle, die Aktin für derartige Analysen im Mikroskop sichtbar machen, können bislang aber nur begrenzt eingesetzt werden. Forscher haben deshalb aus einem Protein, das in Hefezellen an Aktin bindet, einen neuartigen Marker entwickelt.

Das Produkt Lifeact hat sich in allen getesteten Zelltypen und Gewebearten bewährt, ohne die Funktion von Aktin zu stören – und damit die Konkurrenz in jeder Hinsicht überflügelt, so die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Nature Methods“. Erstmals kann nun das Aktin-Protein uneingeschränkt in der Grundlagenforschung wie auch in der Biomedizin untersucht werden.

Vielseitiges Aktin

Aktin ist eines der wichtigsten und häufigsten Proteine überhaupt. So spielt es unter anderem eine Rolle im Zellskelett, einem flexiblen und außerordentlich dynamischen Geflecht aus Filamenten. Einige der dünnen Fasern werden aus einzelnen Aktinmolekülen gebildet.

„Diese Aktinfilamente fungieren unter anderem als Stützgerüst der Zelle, die so ihre äußere Form erhält“, berichtet Dr. Roland Wedlich-Söldner vom Max-Planck-Institut für Biochemie und einer der beiden Projektleiter. „Sie dienen aber auch als Transportwege. Entlang dieser molekularen Gleise werden Moleküle oder andere Ladung im Innern der Zelle mit Hilfe so genannter Motorproteine bewegt.“ Ohne Aktin würden Zellen also in sich zusammenfallen und außen wie innen zum Stillstand kommen.

Meist treten Aktinfilamente in größeren Verbänden auf. „Sie können sogar Netzwerke bilden“, sagt Wedlich-Söldners Kollege Dr. Michael Sixt. „Diese Geflechte erlauben Zellen eine fließende Bewegung, also Mobilität.“ Und sind dabei für manche Überraschung gut. So gelang Sixt zusammen mit Wedlich-Söldner und anderen Kollegen vor kurzem der Nachweis, dass sich weiße Blutkörperchen im Unterschied zu anderen mobilen Zellen auch ausschließlich mit Hilfe des Aktinnetzwerks bewegen können. Das macht die Immunzellen unabhängig von ihrer Umgebung, so dass sie unseren Körper ungehindert auf der Suche nach Krankheitserregern patrouillieren können.

Anwendung des neuen Aktin-Markers Lifeact in einer Nervenzelle aus dem Hippokampus der Ratte. © MPI für Biochemie/Roland Wedlich-Söldner

Wachsen und schrumpfen gleichzeitig

Funktionen wie Mobilität verlangen den Aktinfilamenten eine hohe Flexibilität ab. Dieses Charakteristikum teilen sie mit den anderen Fasern des Zytoskeletts: Alle diese Filamente werden nach Bedarf gebildet – und ebenso schnell wieder abgebaut. Meist durchlaufen sie dabei eine Art Zyklus. Dann werden an ihrem Vorderende neue Aktinmoleküle angefügt, während ihre Gegenstücke am Hinterende wegfallen. Das Filament scheint sich dann – gleichzeitig wachsend und schrumpfend – durch die Zelle zu bewegen.

Eben dieser außerordentlichen Dynamik müssen auch die Untersuchungsmethoden Rechnung tragen. So sind Verfahren, die lediglich statische Schnappschüsse aus der Zelle liefern, nur für begrenzte Fragestellungen tauglich. Häufig werden Aktinstrukturen deshalb per Mikroskop im zeitlichen Verlauf beobachtet, um ihre Entwicklung zu verfolgen. Bei all diesen Methoden sind Forscher auf so genannte Marker angewiesen, die an ein spezifisches Zielmolekül – hier das Aktin – in der lebenden Zelle binden. Im Gepäck tragen sie meist einen Farbstoff, der im Licht des Mikroskops fluoresziert, und so seinen eigenen Standort, den des Markers sowie des Zielmoleküls verrät.

Der perfekte Marker hat etwas von einem stillen Beobachter mit Ausdauer: Er bindet zielgerichtet und lange genug, um nachgewiesen zu werden, aber ohne die Aktivität seines Zielmoleküls zu stören. „Von diesem Ideal sind die bestehenden Aktin-Marker aber weit entfernt“, betont Sixt. „Sie können aus verschiedenen Gründen nämlich nur eingeschränkt genutzt werden, etwa weil sie kompliziert in der Handhabung sind oder bestimmte Arten von Aktinstrukturen erkennen. Der größte Nachteil ist aber, dass sie in unterschiedlichem Ausmaß die Funktion von Aktin beeinflussen – und das kann die Daten verfälschen.“

Neuartiger Marker entwickelt

Eben diesen unerwünschten Effekt könnte ein neuartiger Marker für Aktin vermeiden, den das Team um Wedlich-Söldner und Sixt entwickelt hat. Ausgangspunkt war das Protein Abp140, das in Hefezellen an Aktin bindet – und damit zu mehreren hundert bekannten Aktin bindenden Proteinen gehört. „Die Mitglieder dieser Klasse bieten sich als Marker an, weil sie natürlicherweise an Aktin binden können“, meint Wedlich-Söldner. „Einige werden auch entsprechend verwendet. Das Problem ist, dass ihre Größe störend wirken kann. Aktinfilamente sind nämlich dicht mit Aktin bindenden Proteinen besetzt. Und dazwischen müssen sich dann viele Markermoleküle zwängen, um überhaupt über ihren Fluoreszenzfarbstoff wahrgenommen zu werden.“

Die Forscher setzten deshalb zunehmend kürzere Versionen von Abp140 ein, um festzulegen, welcher Bereich des Proteins mindestens für die Bindung nötig ist. „Zu unserer Überraschung blieb dann ein Bruchstück von nur 17 Proteinbausteinen übrig“, berichtet Wedlich-Söldner. „Dieses kleine Molekül haben wir einer Bandbreite von Tests für einen Marker unterzogen.“ Mit Erfolg: „Lifeact“, wie das Proteinbruchstück genannt wurde, hat sich in allen getesteten Geweben und Zellen vor allem in Kombination mit einem Fluoreszenzfarbstoff bewährt. Ob nun in Hefezellen, Nierenzellen, weißen Blutkörperchen oder Neuronen: Die Forscher konnten keine toxische Wirkung oder Störung der Aktin- Funktion feststellen.

Höhere Präzision und Sensitivität

„Dafür haben wir eine im Vergleich zu anderen Markern erhöhte Präzision und Sensitivität beobachtet“, so Wedlich-Söldner. „Unser Marker ist zudem noch kostengünstig herzustellen, einfach in der Anwendung und kann an spezielle Anforderungen angepasst werden. Näher kann man der Wunschvorstellung eines Markers wahrscheinlich nicht kommen. Auf jeden Fall stehen jetzt der Grundlagenforschung wie auch der Biomedizin ganz neue Optionen offen, um das Aktin-Protein und all seine Funktionen zu analysieren.“

Mittlerweile haben die Martinsrieder Wissenschaftler ihr Patent auf Lifeact angemeldet und hoffen, dass sich auch bald eine Firma für ihr neues Produkt interessiert, um Wissenschaft und Unternehmen den kostengünstigen Marker weiterzugeben.

(idw – Max-Planck-Institut für Biochemie, 10.06.2008 – DLO)

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