Neurobiologie

Alkohol macht Gehirn unflexibel

Abhängige können Gelerntes nicht auf neuen Kontext übertragen

Lernen ist besonders nützlich, wenn man das neue Wissen flexibel in bislang unbekannten Situationen einsetzen kann. Genau damit haben Alkoholiker jedoch Probleme, berichten jetzt deutsche Forscher. Abhängige lernten neue Zusammenhänge genauso gut wie gesunde Menschen, übertrugen dieses Wissen dann aber schlechter auf einen anderen Kontext.

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Das könne möglicherweise erklären, warum Patienten oft Probleme hätten, Erkenntnisse aus der Psychotherapie in den Alltag zu übertragen, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Alcoholism: Clinical and Experimental Research“.

Lernen mit Belohnungen

Die Forscher um Christian Bellebaum, Martina Rustemeier und Gerhard Reymann von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und der Klinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Dortmund verglichen in ihrer neuen Studie die Lernleistungen von 24 alkoholabhängigen Patienten mit der von 20 gesunden Testpersonen.

In jedem Versuchsdurchgang präsentierten sie zwei abstrakte Symbole auf einem Computermonitor, von denen die Teilnehmer eines auswählen sollten. Die Wahrscheinlichkeit, für die Auswahl einen Geldgewinn von 20 Cent zu erhalten, war für jedes der insgesamt sechs Symbole unterschiedlich.

Ziel war es nach Angaben der Wissenschaftler zu lernen, welches die gewinnbringendsten Symbole sind. Diese tauchten dabei durchgängig in den gleichen drei Kombinationen auf: Symbol 1 war zum Beispiel immer mit Symbol 2 gepaart. Alkoholiker lernten nach den Ergebnissen der Forscher genauso gut wie gesunde Menschen, sich für die lukrativeren Alternativen zu entscheiden.

Wissen flexibel einsetzen

In einem abschließenden Test ließen die Forscher die Symbole in neuen Kombinationen gegeneinander antreten. Ergebnis: Gesunde Teilnehmer konnten mit dem zuvor gelernten Wissen auch aus bislang unbekannten Symbolpaaren die gewinnbringendere Alternative bestimmen. Alkoholabhängige Menschen absolvierten die Aufgabe hingegen wesentlich schlechter.

Von der Psychotherapie in den Alltag

RUB-Psychologin Rustemeier zufolge sind diese Resultate auch für die Behandlung relevant: „Alkoholabhängige Menschen haben oft Probleme, ihre Erkenntnisse aus der Psychotherapie im Alltag umzusetzen. Eigentlich kennen sie die negativen Konsequenzen des Trinkens, zum Beispiel Familienprobleme, und sind sich auch über die positiven Konsequenzen des Nichttrinkens im Klaren.“

Trotzdem hätten Alkoholiker Probleme, ihr Verhalten dauerhaft zu ändern, wenn sie nach der Therapie in ihr normales Leben zurückkehren, so die Wissenschaftlerin. (Alcoholism: Clinical & Experimental Research, 2012; doi: 10.1111/j.1530-0277.2011.01696.x)

(Ruhr-Universität Bochum, 19.03.2012 – DLO)

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