Überraschend dünn besiedelt: Europa war während der Altsteinzeit offenbar nur von wenigen anatomisch modernen Menschen bevölkert. Neuen Schätzungen zufolge lebten vor 33.000 und 42.000 Jahren im Schnitt nicht mehr als 1.500 Jäger und Sammler auf unserem Kontinent. Nur fünf Gebiete in Europa hatten überhaupt eine überlebensfähige Population – die größte davon befand sich im Südwesten Frankreichs, wie die Forscher berichten.
Von seiner afrikanischen Heimat aus machte sich der Homo sapiens vor rund 130.000 Jahren auf, die Welt zu erobern. In mehreren Auswanderungswellen zogen die anatomisch modernen Menschen nach Norden – und erreichten vor rund 45.000 Jahren auch Europa. Doch wie viele unserer Vorfahren lebten während der frühen Besiedlungsphase genau auf dem europäischen Kontinent? „Studien, die sich mit der Demografie Europas während des frühen Jungpaläolithikums beschäftigen, sind bisher Mangelware“, schreiben Isabell Schmidt und Andreas Zimmermann von der Universität Köln.
Um diese Wissenslücke zu füllen, haben die Archäologen nun zwischen 33.000 und 42.000 Jahre alte Fundstellen in Europa nach Hinweisen untersucht. Über die Verteilung der archäologischen Stätten identifizierten sie dabei zunächst Kerngebiete intensiver und kontinuierlicher Besiedlung aus der fraglichen Zeit. Außerdem rekonstruierten sie, auf welchen Wegen und über welche Distanzen sich die Menschen damals bewegten und zum Beispiel Steinmaterialien von A nach B transportierten.
Nur 1.500 Menschen in Europa
Die auf diese Weise ermittelten Kern- und Mobilitätsgebiete nutzten die Forscher anschließend, um sich einer konkreten Bevölkerungszahl anzunähern: Wie viele Gruppen von Jägern und Sammlern könnte es damals gegeben haben und wie groß waren diese?
Die Ergebnisse zeigen, dass Europa damals erstaunlich dünn besiedelt war. Den Schätzungen des Teams zufolge lebten auf dem betrachteten Gebiet vom heutigen Nordspanien über Mittel- bis Osteuropa im Schnitt nur etwa 1.500 Menschen. Auch mögliche Schwankungen, die im Rahmen der Analyse ermittelt wurden, lassen nicht viel Spielraum. Wie Schmidt und Zimmermann berichten, lag die Obergrenze bei 3.300, die Untergrenze bei rund 800 Personen.
„Ballungsraum“ Südwestfrankreich
Angesichts dieser kleinen Zahl scheint auch ein weiteres Ergebnis der Forscher nicht verwunderlich: Nur fünf Gebiete in Europa hatten überhaupt eine überlebensfähige Population von etwa 150 Personen oder mehr: Nordspanien, Südwestfrankreich, Belgien, Teile Tschechiens sowie der obere Donauraum. Das Kerngebiet mit der größten Bevölkerung befand sich demnach mit rund 440 Personen im Südwesten Frankreichs, gefolgt von Nordspanien mit geschätzten 260 Einwohnern.
Gleichzeitig offenbarten die Untersuchungen, dass es während der späten Altsteinzeit eine Reihe von Gebieten mit extrem geringen Bevölkerungszahlen von nur zehn bis 80 Personen gab – diese Populationen wären isoliert für sich nicht überlebensfähig gewesen. Ähnlichkeiten von Schmuckgegenständen und Indizien für den Transport von Steinmaterialien deuten jedoch auf intensiven Kontakt zu den Kernregionen hin, wie die Archäologen erklären.
Wiederholt ausgestorben?
Nach Ansicht der Forscher ist es wahrscheinlich, dass einige Menschen aus den Kernregionen zu bestimmten Jahreszeiten in diese im Schnitt etwa 200 Kilometer entfernten Gebiete zogen und sich dort zeitweise niederließen. Die Besiedlung dieser Regionen fand demnach nur zyklisch und befristet statt. Dies spreche für hochmobile Jäger-und-Sammler-Gruppen, die regelmäßig große Distanzen zurücklegten und sich an unterschiedliche Habitate anpassen konnten, schreibt das Team.
„Dieses Verhalten der ersten anatomisch modernen Menschen in Europa ermöglichte eine stabile Besiedelung des Subkontinents trotz der geringen Bevölkerungsdichte“, sagt Schmidt. „Auch wenn wir davon ausgehen, dass regionale Populationen wiederholt ausstarben, so ist dieses System sehr resilient.“ (PLOS One, 2019; doi: 10.1371/journal.pone.0211562)
Quelle: Universität zu Köln