Medizin

Alzheimer: Nur wenige Therapien wirken nachweislich

Cholinesterasehemmer und Ginkgo können einige Symptome lindern

Noch immer gibt es keine Therapie, die Alzheimer-Demenz heilen oder nachhaltig beeinflussen und damit dem schleichenden Vergessen langfristig Einhalt gebieten könnte. Dieses Resümee zieht das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zum Abschluss einer umfassenden Untersuchung zum Thema Alzheimer-Demenz. Für die Wirksamkeit der vielfältigen nichtmedikamentösen Verfahren fehlen dagegen wissenschaftliche Nachweise. Für eine wirklich erfolgreiche Demenzbehandlung werden daher wahrscheinlich ganz neue Ansätze notwenig sein.

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Auf Wunsch des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hatte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht, welchen Nutzen- und welchen Schaden – verschiedene Therapieangebote für Patientinnen und Patienten haben können. Auf den Prüfstand kamen dabei sowohl die Arzneistoffe Cholesterinesterasehemmer, Memantin und Ginkgo biloba als auch eine Vielzahl von nichtmedikamentösen Therapien, wie etwa das Angehörigentraining und kognitive Verfahren.

Gingko und Cholinesterasehemmer helfen zumindest etwas

Wie die Wissenschaftler des IQWiG in Zusammenarbeit mit externen Sachverständigen feststellten, haben Arzneistoffe aus der Gruppe der Cholinesterasehemmer tatsächlich positive Effekte auf die so genannte Kognition. Patientinnen und Patienten in einem leichten oder mittelschweren Stadium der Erkrankung, die in Studien einen Cholinesterasehemmer über mindestens vier Monaten einnahmen, konnten sich beispielsweise Dinge besser merken als die Erkrankten, die ein Scheinmedikament einnahmen.

Auf die Fähigkeit, den Alltag zu bewältigen, scheinen sich dagegen Ginkgo biloba enthaltende Präparate günstig auszuwirken, sofern sie hoch genug dosiert werden (240 mg täglich). Auch hier fand das IQWiG Belege in Studien mit leicht oder mittelschwer Erkrankten. Allerdings bleibt die Größe des

Effekts unklar, weil die Ergebnisse in den einzelnen Studien sehr unterschiedlich ausfielen.

Dass Patienten profitieren können, ist aber jeweils nur für solch begrenzte Therapieziele nachgewiesen. Für andere Behandlungsaspekte, wie etwa Begleitsymptome von Unruhe oder Depression, die Lebensqualität oder Pflegebedürftigkeit, liefern die Studien entweder keine entsprechenden Belege oder die Daten sind nicht hinreichend sicher interpretierbar – in einigen

Fällen wurden sie auch gar nicht erhoben.

Kein Nutzen-Nachweis für Memantin

Bei der dritte Gruppe von Alzheimer-Medikamenten, beim Wirkstoff Memantin, ist für keinen Aspekt der Erkrankung der Nachweis erbracht, dass Patienten von diesem Wirkstoff mehr profitieren als von einem Scheinmedikament – auch nicht für die Gedächtnisleistung oder die Alltags-Kompetenz. Memantin ist zur Behandlung der mittelschweren und schweren Alzheimer Demenz zugelassen. Zwar kann auch Ginkgo bei diesen Patienten verordnet werden. Ob und wie gut Ginkgo bei den schwerer Erkrankten wirken, lässt sich auf Basis der verfügbaren Studiendaten aber nicht eindeutig sagen. Denn speziell auf diese Patientengruppe ausgerichtete Studien fehlen.

Langzeiteffekte der Medikamente bleiben unklar

Obwohl die drei genannten Medikamente vergleichsweise untersucht sind, gibt es deutliche Forschungslücken: Der überwiegende Teil der Studien hatte eine Laufzeit von maximal einem halben Jahr, so dass unklar bleibt, welche Effekte die Präparate bei einer längeren Anwendung haben. Das gilt auch und gerade für unerwünschte Nebenwirkungen, die insbesondere bei den Cholinesterasehemmern mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall erheblich sein können. Zudem fehlen aussagekräftige Studien, die die Arzneistoffe untereinander oder mit nichtmedikamentösen Therapien vergleichen.

Großer Nachholbedarf bei nichtmedikamentösen Verfahren

Noch gravierender sind Forschungsdefizite allerdings bei den nichtmedikamentösen Therapien: Zu geringe Forschungsmittel und eine unterentwickelte Studienmethodik führen dazu, dass auch für Verfahren, die Potenzial haben, keine zuverlässigen Aussagen getroffen und damit auch keine

Belege für einen Nutzen erbracht werden können.

Die Vielfalt der Ansätze ist groß und einige erscheinen auch vielversprechend: Gedächtnisübungen oder Alltagsaktivitäten in der Gruppe gehören ebenso dazu wie Schulung von Angehörigen. Zwar fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine ganze Reihe von Studien. Schwächen bei der Planung oder Durchführung führten jedoch dazu, dass die Ergebnisse nicht zuverlässig interpretierbar waren.Einen Beleg für den Nutzen eines der Verfahren konnte das IQWiG deshalb nicht

feststellen.

Was die Studienmethodik betrifft, hinken die nichtmedikamentösen Verfahren allerdings generell den Arzneimitteln hinterher. Ein wichtiger Grund für den Rückstand ist, dass es hier kein Zulassungsverfahren und damit auch keine Behörde gibt, die Studien mit einem methodischen Mindeststandard einfordert. Anders als in der Pharmabranche fehlen in der Regel auch finanzstarke Großunternehmen, die Studien finanzieren.

(Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 14.09.2009 – NPO)

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