Neurobiologie

Alzheimerzellen mit „Doppelgenom“

Betroffene Nervenzellen verhalten sich tumorähnlich

Von der Alzheimerkrankheit befallene Nervenzellen weisen offenbar eine ähnliche Störung wie Tumorzellen auf. Wie Wissenschaftler jetzt im „Journal of Neuroscience“ berichten, können sie unter bestimmten Bedingungen ihr genetisches Erbmaterial verdoppeln, obwohl sich diese bereits erwachsenen Zellen eigentlich nicht teilen. Diese Verdopplung führt langfristig zum Tod der betroffenen Zellen.

{1l}

Bei ihren Untersuchungen stellten Wissenschaftler des Paul-Flechsig-Instituts für Hirnforschung der Universität Leipzig um Professor Thomas Arendt fest, dass bei Alzheimer-Patienten rund 20 Prozent der Nervenzellen eine Veränderung aufweisen. Sie veroppeln ihr genetisches Material und sterben dadurch ab. Doch auch im gesunden Gehirn wurden Zellen mit doppelter DNA entdeckt, allerdings betrug ihr Anteil lediglich ein Prozent der Gesamtzahl der Zellen. Diese seien jedoch ruhig und inaktiv, so Arendt.

Ursache noch nicht bekannt

Wann und wodurch die steigende Zahl von Zellveränderungen eintritt, ist noch nicht bekannt. „Es ist aber sicher kein Ereignis, das plötzlich auftritt“, sagt der Mediziner. Vielmehr habe man es mit einem langsamen Verlauf zu tun, was auch daran deutlich wird, dass Alzheimer erst im Alter auftritt. Wenn es jedoch gelingt, eine solche Veränderung frühzeitig festzustellen, wäre vermutlich auch eine Voraussage möglich, wie hoch das Risiko des Patienten ist, an Alzheimer zu erkranken. Voraussetzung dafür ist eine gesicherte Diagnose der Zellteilungsstörung. Doch auch da sind die Forscher bereits auf der Suche nach Lösungen:

Neue Ansätze für Therapie

„Die molekularen Grundlagen von Alzheimer und Tumorerkrankungen sind also offensichtlich gleich“, erläutert Arendt. „Wenn sich die Störung zum Beispiel in anderen Geweben oder im Blut nachweisen ließe, könnte man mit einer Therapie frühzeitig beginnen.“

Was sich für den Laien relativ unspektakulär anhört, könnte einen Durchbruch bei der Behandlung degenerativer Hirnerkrankungen bringen: So wie Tumore mit gentherapeutischen Maßnahmen behandelt werden können, könnte es auch eine Gentherapie gegen Alzheimer geben. Damit wäre es unter Umständen möglich, den Prozess des Absterbens von Hirnzellen zu hemmen. Allerdings bedarf es noch einiger Anstrengungen herauszufinden, wie eine solche Therapie aussehen könnte: Hindert man nämlich die Nervenzellen an der Teilung, könnten auch andere Zellen in ihrem natürlichen Teilungsprozess gehemmt werden, was dann allerdings unerwünscht wäre.

(Universität Leipzig, 10.07.2007 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Feuerwerk der Hormone - Warum Liebe blind macht und Schmerzen weh tun müssen von Marco Rauland

Medizin für das Gehirn - Hrsg. Spektrum der Wissenschaft

Unser Gedächtnis - Erinnern und Vergessen von Bernard Croisile

Gott-Gen und Großmutter neuron - Geschichten von Gehirnforschung und Gesellschaft von Manfred Spitzer

Eine kurze Reise durch Geist und Gehirn - von Vilaynur S. Ramachandran

Die blinde Frau, die sehen kann - Rätselhafte Phänomene unseres Bewußtseins von Vilaynur S. Ramachandran und Sandra Blakeslee

Top-Clicks der Woche