Vielseitige Waffe: Die dick gepanzerten Ankylosaurier entwickelten ihre mächtigen Schwanzkeulen nicht nur zur Verteidigung gegen Raubsaurier. Stattdessen setzen sie diese Waffen im Kampf gegen Artgenossen ein, wie Paläontologen jetzt herausgefunden haben. Indizien dafür liefert das 76 Millionen Jahre alte Fossil eines Ankylosauriers der Art Zuul crurivastator, dessen Flanken verheilte Wunden von Keulenangriffen zeigen.
Ankylosaurier waren die lebenden Panzer der Dinosaurierwelt. Der Körper und selbst die Augenlider dieser vierbeinig laufenden Pflanzenfresser waren bedeckt von robusten Knochenplatten, den sogenannten Osteodermen. Diese „Rüstung“ ähnelte modernen Verbundwerkstoffen, wie sie heute beispielsweise in schusssicheren Westen zum Einsatz kommen. Paläontologen vermuten, dass diese Panzerung die Ankylosaurier vor riesigen Raubsauriern wie dem Tyrannosaurus rex schützte. Auch ihre gewaltige knöcherne Schwanzkeule wurde lange Zeit als Verteidigung gegen Fleischfresser interpretiert.
Ein Fossil liefert neue Einblicke
Doch jetzt präsentieren Forschende um Victoria Arbour vom kanadischen Royal British Columbia Museum eine andere Erklärung. Demnach war der Kampf gegen Räuber nicht die Hauptfunktion der Schwanzkeulen und auch nicht der Grund, weshalb diese sich ursprünglich entwickelten. Indizien dafür liefert das 76 Millionen Jahre alte Fossil eines Ankylosauriers der Art Zuul crurivastator aus der Judith-River-Formation im nördlichen Montana.
Zuul crurivastator war zu Lebzeiten rund sechs Meter lang und rund 2,5 Tonnen schwer. Diese Ankylosaurier-Spezies besaß zudem einen drei Meter langen, mit scharfen Stacheln besetzten Schwanz, dessen Spitze eine riesige knöcherne Keule ähnlich einem Vorschlaghammer trug. Bei dem in Montana entdeckten Exemplar ist der seitliche Panzer mitsamt seiner ausgeprägten Sporne und Stacheln besonders gut erhalten.
Verletzt im Kampf gegen T. rex?
Als die Paläontologen das Fossil näher untersuchten, entdeckten sie an den Flanken des Tieres Panzerplatten und Stacheln, die einst gebrochen und wieder verheilt waren. Waren dies die Spuren eines Tyrannosaurus-Angriffes? Um dies zu klären, analysierten Arbour und ihre Kollegen die räumliche Verteilung der Verletzungsspuren: „Wir würden erwarten, dass Verletzungen durch Tyrannosaurier entweder willkürlich über den Körper verteilt sind – häufiger auf dem Rücken, da Tyrannosaurier deutlich größer waren als Ankylosaurier – oder in der verletzlichen Halsregion liegen.“
Doch das war bei Zuul nicht der Fall, wie die Analysen enthüllten. Stattdessen waren die Verletzungspuren bei diesem Ankylosaurus relativ symmetrisch auf beide Körperseiten verteilt und konzentrierten sich vorwiegend auf die vorderen Rumpfseiten und die Beckenregion. Dieses Muster der Wunden passt laut den Paläontologen nicht zum Angriff eines Raubsauriers.
Kampf gegen Artgenossen
Stattdessen deuten die Verletzungen des Ankylosaurus auf einen komplett anderen Verursacher hin: auf die Schwanzkeule eines anderen Zuul. Denn wie die Forschenden erklären, folgen Tiere, die gegen Artgenossen kämpfen, oft einem stark ritualisierten Muster, wodurch Verletzungen häufig nur in einem eingegrenzten Bereich entstehen. Bei Ankylosauriden dürften die Keulenschläge aufgrund des wenig flexiblen Schwanzes dabei nur Kopf, Schultern, Flanken, Hüften und den seitlichen Schwanz von Rivalen getroffen haben, wie die Wissenschaftler erklären.
Ein weiteres Indiz ist die Tatsache, dass Zuuls Wunden zum Zeitpunkt seines Todes unterschiedlich gut verheilt waren. Dies könnte laut Arbour und Kollegen darauf hindeuten, dass er sie sich in verschiedenen Kämpfen mit Artgenossen zugezogen hat. Bei diesen Kämpfen dürfte es nicht allzu zimperlich zugegangen sein. Nicht umsonst bedeutet Zuul crurivastator übersetzt so viel wie „Zuul, der Zerstörer der Schienbeine“.
„Wir wissen, dass Ankylosaurier ihre Schwanzkeulen einsetzen konnten, um einem Gegner sehr starke Schläge zu versetzen, aber die meisten Menschen dachten, dass sie ihre Schwanzkeulen zur Bekämpfung von Raubtieren einsetzten. Stattdessen haben Ankylosaurier wie Zuul vielleicht gegeneinander gekämpft“, erklärt Arbour.
Urzeitliche Rangkämpfe
Doch warum kämpften Ankylosauriden gegeneinander? Laut Paläontologen könnte es in diesen Auseinandersetzungen um die soziale und territoriale Vorherrschaft gegangen sein oder sie fanden im Zuge der „Brunftzeit“ statt. Ähnlich wie bei modernen Hirschen, die mit ihren Geweihen um Partnerinnen kämpfen.
Die neuen Forschungsergebnisse widerlegen allerdings nicht die Vorstellung, dass Ankylosauriden sich mit ihren Schwanzkeulen auch gegen Raubsaurier wie den T. rex verteidigten. Laut Arbour und ihren Kollegen entwickelten sich die knöchernen Waffen nur nicht vorrangging zu diesem Zweck. Darauf deutet zum Beispiel hin, dass die Keulen im Laufe der Evolution nicht proportional zur Größe der vorherrschenden Räuber gewachsen sind. (Biology Letters, 2022; doi: 10.1098/rsbl.2022.0404)
Quelle: Royal Ontario Museum