Forscher haben erstmals Antikörper entwickelt die gegen Diabetes wirken. Die Eiweißstoffe senkten in Versuchen mit zuckerkranken Mäusen deren Blutzuckerspiegel und auch das Körpergewicht der Tiere. Bereits eine einzige Injektion habe ausgereicht, um die Zuckerwerte der Mäuse auf annähernd normales Niveau zu bringen. Dieser Effekt habe fast einen Monat angehalten und keine schädlichen Nebenwirkungen verursacht, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science Translational Medicine“.
{1l}
Bei Diabetes Typ 2 baut der Körper Blutzucker nicht ausreichend ab, obwohl meist genügend Insulin im Umlauf ist. Der Grund: Die Zellen, die normalerweise auf das Insulin reagieren, sind resistent, sie reagieren nicht mehr auf den Botenstoff. Forschungen zeigen, dass bestimmte Botenstoffe, sogenannte FGF- Proteine, den Effekt dieser Resistenzen überwinden können. Dass auch Antikörper diese Wirkung haben können, habe man nun in den Versuchen an Mäusen und in Zellkulturen erstmals belegt, sagen Ai-Luen Wu und ihre Kollegen vom Biotechnologie-Unternehmen Genentech in San Francisco.
Die blutzuckersenkende Wirkung habe man bei den Mäusen selbst dann noch beobachtet, wenn ihr Blut keine nachweisbaren Antikörper mehr enthielt, berichten die Forscher. Dieses Ergebnis schätzen auch Wissenschaftler der Harvard Medical School in Boston als vielversprechend ein. Es deute darauf hin, dass der Antikörper R1Mab1 nachhaltige Veränderungen im Stoffwechsel auslöse, meinen Siegfried Ussar und seine Kollegen in einem begleitenden Kommentar.
Sowohl bei Mäusen mit Diabetes als auch bei gesunden Mäusen beobachteten die Forscher auch eine Gewichtsabnahme nach Gabe der Antikörperlösung. Die Tiere fraßen weniger, verbrannten aber auch mehr Fett, wie sich an ihrem Sauerstoffverbrauch zeigte.
Aktivierung des Botenstoffs
Wie die Wissenschaftler berichten, lagern sich die neu entwickelten Antikörper an speziellen Bindungsstellen in der Bauchspeicheldrüse und im Fettgewebe an. Dadurch aktivieren sie das Protein FGF21, von dem bekannt ist, dass es den Fettstoffwechsel und die Verarbeitung von Kohlenhydraten – und damit auch von Zucker – anregt. Bisherige Versuche, aus diesem Botenstoff ein beim Menschen wirksames Anti-Diabetesmittel zu erzeugen, seien jedoch fehlgeschlagen, sagen die Forscher.
Noch ist die Wirkung der R1Mab1-Antikörper nur an Mäusen und in Zellkulturen getestet. Doch die Wissenschaftler sind zuversichtlich, dass aus diesen oder ähnlichen Antikörpern zukünftig auch ein Mittel für die Behandlung von Menschen entwickelt werden könnte. Das Biotechnologie-Unternehmen Genentech hat bereits ein Patent für diese Ansätze angemeldet.
Gute Chancen durch gezielte Wirkung
In ihrem in der gleichen Ausgabe des Fachmagazins erschienenen Kommentar sehen auch Forscher der Harvard Medical School in Boston eine gute Chance darin, Antikörper gegen Diabetes Typ 2 und andere Stoffwechselkrankheiten einzusetzen. Antikörper seien in der Regel sehr spezifisch und lagerten sich nur an ganz bestimmte Zielstrukturen an. Dadurch seien sie weniger giftig und hätten weniger Nebenwirkungen als andere Wirkstoffarten. Zudem ließen sich Antikörper einfach im Labor herstellen.
„Mehr als 30 verschiedene monoklonale Antikörper werden heute schon gegen Krebs, Autoimmunerkrankungen und Infektionen eingesetzt“, schreiben Ussar und seine Kollegen. Sie seien daher auch gegen Diabetes Typ 2 sehr attraktive Kandidaten. (Science Translational Medicine, 2011; doi:10.1126/scitranslmed.3002669)
(Science Translational Medicine, 15.12.2011 – NPO)