Biologische Uranbindung: Spezielle Mikroben könnten als „Schutztruppe“ für atomare Endlager dienen. Denn sie wandeln Uran und andere hochradioaktive Relikte in ihre unlösliche Form um, wie nun Experimente belegen. Dadurch könnten diese Archaeen eine Verseuchung des Grundwassers verhindern, beispielsweise bei Wassereintritt oder Mikrorissen im Endlager. Allerdings wäre dies nur bei einem Salzstock als Atommüll-Standort möglich, wie die Forscher berichten.
Wohin mit dem hochradioaktiven Atommüll? Diese Frage ist noch immer ungelöst. Weltweit gibt es bisher kein einziges Endlager für solche Abfälle und noch immer herrscht Uneinigkeit darüber, welche Einschlussverfahren und Standorte überhaupt geeignet sind. In Deutschland sind für den Standort neben Granit und Tongestein vor allem Salzstöcke in der engeren Wahl. Allerdings: Gerade die Salzstöcke könnten möglicherweise wasserdurchlässiger sein als lange gedacht, wie kürzlich eine Studie ergab.
Problemfall Wassereinbruch
Das Problem: Wenn Wasser in ein Endlager eindringt, steigt die Gefahr einer großflächigen Verseuchung. Denn die Atommüll-Behälter korrodieren mit der Zeit und könnten schon nach einigen hundert bis tausend Jahren undicht werden. Deshalb muss das Umgebungsgestein als Barriere dienen und dicht bleiben. Dringt aber durch Mikrorisse Wasser ein oder es gibt sogar einen Wassereinbruch, dann können sich Uran und andere hochradioaktive Nuklide darin lösen und in Untergrund und Grundwasser ausbreiten.
Doch dieser GAU im Untergrund könnte möglicherweise verhindert werden – durch Archaeen. Diese urtümlichen Mikroorganismen sind dafür bekannt, selbst die extremsten Orte der Erde zu besiedeln – von Tiefseegräben über Polareis bis zu heißen Quellen. Einige von ihnen sind zudem unempfindlich gegenüber radioaktiver Strahlung und toxischen Schwermetallen. Das Interessante daran: Diese Archaeen können lösliche Schwermetalle in eine unlösliche Form überführen.
Atomarer Worst-Case im Labor
Ob die Mikroben dies auch mit Uran, Curium und anderen hochradioaktiven Nukliden schaffen, haben nun Miriam Bader vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf und ihre Kollegen getestet. Sie nutzten dafür einen Stamm der sogenannte Haloarchaeen – Archaeen, die in der Sole von Salzstöcken vorkommen. Diese Mikroben setzten sie im Versuch einer Salzlauge aus, die gelöstes Uran enthielt.
„Vereinfacht gesagt, haben wir ein Worst-case-Szenario mit einem Wassereinbruch in einem Salzstock simuliert“, erklärt Bader. Mithilfe lasergestützter Spektroskopie-Methoden beobachten die Forscher dann über mehrere Tage hinweg, in welcher chemischen Form das Uran vorlag und wie die Zellen auf die Schwermetalle reagierten. Sie konnten so mitverfolgen, ob und wie die Archaeen die gelösten Uran-Ionen veränderten.
Urankristalle an der Zellwand
Das Ergebnis: Die Haloarchaeen erwiesen sich selbst bei diesen hochradioaktiven Substanzen als effektive Biomineralisierer. Schon nach kurzer Zeit lagerte sich das gelöste Uran an den Zellwänden der Mikroben an. Dann setzten die Zellen Phosphat-Ionen frei, die mit den Uran-Ionen reagierten, wie die Forscher beobachteten.
„Die für die Mikroben eigentlich giftigen Schwermetall-Ionen werden dadurch binnen Minuten fest an die Phosphat-Ionen gebunden“, berichtet Bader. Es entstehen Kristalle aus unlöslichen Uranylphosphat-Mineralen. „Damit haben wir zum ersten Mal eine Biomineralisation von Uran durch die Zellen von Halobacterium noricense DSM 15987T nachgewiesen“, sagen die Forscher.
„Natürliches Wachpersonal“
Nach Ansicht von Bader und ihrem Team könnten solche Mikroben daher bei einem Endlager dazu beitragen, die Kontaminationsgefahr zu verringern. „Diese Haloarchaeen bilden quasi ein natürliches Wachpersonal für nukleare Abfälle und können recht wirkungsvoll verhindern, dass Uran und andere hochradioaktive Schwermetalle bei einem Wassereinbruch vom Endlager in die Umwelt gelangen“, konstatiert Bader.
Allerdings: Richtig effektiv war die mikrobielle Schutztruppe nur bei eher niedrigen Konzentrationen der radioaktiven Schwermetalle. Bei größeren Lecks der Atommüll-Behälter könnte daher auch ihr Wirken vergebens sein. (Environmental Science & Technology, 2019; doi: 10.1021/acs.est.8b02667)
Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf