Nützliche „Omas“: Auch Belugas und Nawal-Weibchen durchleben die Wechseljahre. Sie gehören damit neben dem Menschen und zwei weiteren Walarten zu den einzigen Säugetieren, von denen eine Menopause bekannt ist. Der Grund für das vorzeitige Ende der Fruchtbarkeit bei uns und diesen Walen könnte im „Oma-Effekt“ liegen: Ältere, nicht mehr fortpflanzungsfähige Weibchen haben mehr Zeit und Energie, um sich um den Nachwuchs ihrer engen Verwandten zu kümmern.
Bei fast allen bekannten Tierarten pflanzen sich die Weibchen bis an ihr Lebensende fort – Wechseljahre gibt es bei ihnen nicht. Evolutionär gesehen hat dies auch seinen Sinn: Es geht darum, seine Gene weiterzugeben. Ist ein Tier nicht mehr fortpflanzungsfähig, hat es seine Aufgabe erfüllt und ist sozusagen überflüssig. Insofern sind menschliche Frauen echte Sonderlinge der Evolution. Denn sie gehören zu den wenigen Säugetieren, die noch Jahrzehnte nach der Menopause weiterleben.
Was ist der Grund?
„Damit die Menopause aus evolutionärer Sicht sinnvoll ist, muss eine Tierart einen guten Grund haben, mit der Fortpflanzung aufzuhören und danach trotzdem noch weiterzuleben“, erklärt Sam Ellis von der University of Exeter. Bei uns Menschen lieferte nach gängiger Theorie das Leben in der Gruppe diesen Grund: Ältere Frauen halfen bei der Betreuung und Versorgung des Nachwuchses ihrer Verwandten und erhöhten so deren Überlebenschancen. Zudem gaben sie ihre Lebenserfahrung an Jüngere weiter.
Doch im restlichen Tierreich scheint ein solches postmenopausales Weiterleben eine echte Rarität zu sein. Lange kannte man Wechseljahre nur noch bei zwei weiteren Säugetierarten, bei Orcas und möglicherweise einer Grindwalart.
Wal-Eierstöcke verraten Wechseljahre
Jetzt haben Ellis und sein Team zwei weitere Walarten identifiziert, bei denen die Weibchen Wechseljahre durchlaufen und dann noch weiterleben. Für ihre Studie hatten sie die Eierstöcke von 16 Arten von Zahnwalen untersucht, denn an ihnen ist erkennbar, ob noch regelmäßige Eisprünge stattfinden oder ob dies, wie nach den Wechseljahren typisch, nicht mehr der Fall ist.
Das Ergebnis: Während bei Schweinwalen, Pottwalen und allen Delfinarten die Weibchen fast bis zum Ende ihres Lebens Junge bekommen können, ist dies bei Belugawalen und Narwalen nicht der Fall. Auch sie durchlaufen Wechseljahre und leben danach noch Jahrzehnte weiter, wie die Forscher feststellten. Ihre Studie bestätigte auch die Vermutung, dass kurzflossige Grindwale ebenfalls Wechseljahre durchleben.
Belugas und Narwale gehören auch dazu
„Dies ist unseres Wissens nach der erste Beleg für eine postmenopausale Lebensspanne bei Belugas und Narwalen“, sagen Ellis und seine Kollegen. „Damit verdoppeln unsere Ergebnisse nun die Zahl der bekannten, nichtmenschlichen Säugetiere mit dieser ungewöhnlichen Lebensstrategie.“
Interessant auch: Beide Walarten sind zwar eng miteinander verwandt, stehen aber im Stammbaum der Meeressäuger weit entfernt von den Orcas und Grindwalen. Die Forscher vermuten daher, dass sich die für Säugetiere exotische Lebensstrategie des postmenopausalen Weiterlebens bei den Walen mindestens zweimal unabhängig voneinander entwickelt haben muss – einmal bei Narwalen und Belugas und einmal bei den Vorfahren von Orcas und Grindwalen.
Auf die Gruppenstruktur kommt es an
Doch warum gibt es nur bei einigen wenigen Zahnwal-Arten ein Überleben der Weibchen nach den Wechseljahren und nicht bei allen? Der Grund dafür liegt wahrscheinlich in den sehr unterschiedlichen sozialen Strukturen dieser Wale, wie die Forscher erklären. Während viele Walarten und Delfine eher lose Gruppen mit wechselnden Zugehörigkeiten bilden, ist dies bei Orcas, Belugas und Narwalen nicht der Fall.
„Bei Orcas bleibt der Nachwuchs ein Leben lang mit ihren Müttern in einer Gruppe zusammen“, erklärt Ellis. „Dadurch besteht die Gruppe eines älteren Weibchens mit der Zeit aus immer mehr Kindern, Enkeln und Urenkeln.“ Auch bei Belugas und Narwalen konzentrieren sich die Gruppen um Mütter und ihren Nachwuchs.
Oma als Matriarchin
Wenn nun das Weibchen immer weiter Junge bekommen würde, würden diese verstärkt untereinander konkurrieren. Aus evolutionärer Sicht ist es für das Überleben möglichst vieler Nachkommen daher sinnvoller, wenn die „Matriarchin“ nach einiger Zeit unfruchtbar wird und sich in den Dienst der Gruppe stellt. „Ihr Wissen darum, wo die besten Futterplätze sind, kann beispielsweise der Gruppe dabei helfen, zu überleben“, so Ellis.
Allerdings: Es gibt auch einige andere Walarten wie die langflossigen Grindwale, die eine ganz ähnliche Gruppenstruktur aufweisen. Trotzdem leben bei ihnen die Weibchen nicht über das Ende ihrer fruchtbaren Zeit hinaus. „Das unterstreicht, dass es nicht nur die demografischen Strukturen sind, sondern wahrscheinlich auch das Gleichgewicht weiterer Vorteile und Nachteile, die zur Evolution einer postmenopausalen Lebensspanne führen“, sagen die Forscher. (Scientific Reports, 2018; doi: 10.1038/s41598-018-31047-8)
(University of Exeter, 28.08.2018 – NPO)