Verhaltensforschung

Auch Delfinmütter nutzen Babysprache mit ihren Jungen

Weibliche Delfine „reden“ mit ihrem Nachwuchs in einer höheren Tonlage

Delfinmutter mit Kalb
Die Mutter dieses neugeborenen Delfinkalbs in Sarasota Bay „spricht“ mit ihrem Nachwuchs ähnlich wie wir Menschen mit einem Baby. © Sarasota Dolphin Research Program

Variable Pfiffe: Auch Delfine kommunizieren mit ihren Jungtieren in „Babysprache“, wie Forschende jetzt herausgefunden haben. Demnach wechseln Delfinmütter bei der Kommunikation mit ihren Jungen in eine deutlich höhere Tonlage als bei erwachsenen Artgenossen – genau wie wir Menschen. Die Forschenden vermuten, dass auch die Meeressäuger auf diese Weise die Aufmerksamkeit ihrer Jungen auf sich lenken sowie das stimmliche Lernen der Kälber fördern.

Wenn wir mit kleinen Kindern sprechen, verfallen wir häufig in eine sogenannte „Babysprache“. Wir reden dann unter anderem in einer deutlich höheren Tonlage und bilden außerdem kürzere Sätze. Es wird angenommen, dass wir ein Baby dadurch eher auf uns aufmerksam machen, seine Bindung zu uns stärken und ihm beim Spracherwerb helfen.

Im Tierreich ist dieses Phänomen bislang weitestgehend unerforscht. Zwar gibt es Hinweise darauf, dass Zebrafinken, Totenkopfäffchen und Rhesusaffen mit Jungtieren anders kommunizieren als mit Erwachsenen, doch dies geschieht in einer Art und Weise, die sich nochmal deutlich vom menschlichen Konzept der Babysprache absetzt.

Pfiff-Sammlung in Florida

Forschende um Laela Sayigh von der Woods Hole Oceanographic Institution in Massachusetts haben nun erstmals untersucht, ob Große Tümmler ihre Lautäußerungen auf ihren Nachwuchs abstimmen. Dafür zeichneten sie die Pfiffe von 19 wildlebenden Delfinmüttern im Gebiet der Sarasota Bay im US-Bundesstaat Florida auf, die immer wieder in routinemäßigen Gesundheitschecks untersucht werden.

Bei diesen Checks konnten die Wissenschaftler vorübergehend spezielle Hydrophone mit Saugnäpfen am Kopf der weiblichen Delfine anbringen und so ihre Rufe in An- sowie Abwesenheit ihrer Kälber aufnehmen. Anschließend analysierten Sayigh und ihre Kollegen, wie sich die Pfiffe hinsichtlich ihrer Tonlage, Frequenz und Länge unterschieden. Bekannt ist bereits, dass Delfine ihre Pfeiflaute sowohl als individuellen Erkennungsruf nutzen als auch, um den Kontakt mit Artgenossen zu halten.

Auch Delfinmütter nutzen Babysprache

Die akustischen Analysen ergaben: „Wenn die Weibchen mit ihren Kälbern zusammen waren, produzierten sie charakteristische Pfiffe mit signifikant höheren Maximalfrequenzen und etwas niedrigeren Minimalfrequenzen, was zu einem größeren Frequenzbereich führte, als wenn sie allein oder mit anderen Delfinen zusammen waren“, berichten Sayigh und ihr Team. Der obere Frequenzbereich der mütterlichen Pfiffe lag bei der Kommunikation mit ihren Jungen im Schnitt um 1,2 bis 2,4 Kilohertz höher als bei der Kommunikation mit Erwachsenen.

„Unsere Ergebnisse belegen, dass Große Tümmler auf das Kalb gerichtete Kommunikation betreiben“, konstatieren die Forschenden. Die Delfinmütter nutzen demnach gegenüber ihren Jungtieren eine ganz ähnliche Sprache wie wir Menschen gegenüber Babys. Denn auch wir heben unwillkürlich die Stimme, wenn wir mit Säuglingen oder Kleinkindern sprechen.

Akustische Lernhilfe für den Nachwuchs

Damit zeigen die Meeressäuger im sprachlichen Umgang mit ihrem Nachwuchs deutliche Parallelen zu uns Menschen. „Obwohl Delfine sich phylogenetisch stark von uns Menschen unterscheiden, teilen sie einige Merkmale mit uns, darunter eine lange Kindheit, in der Mütter und Jungtiere akustisch miteinander kommunizieren“, erklären Sayigh und ihre Kollegen. „Außerdem zeigen sie wie wir Menschen eine hohe soziale und vokale Komplexität und ein großes Maß an sozialem und sprachlichem Lernen.“

Wahrscheinlich hat die Babysprache der Delfinmütter dabei eine ähnliche Funktion wie bei uns Menschen: „In Anbetracht der Tatsache, dass Delfine über ein flexibles Kommunikationssystem verfügen, scheint es wahrscheinlich, dass mütterliche Sprache bei Großen Tümmlern ebenso wie beim Menschen Aufmerksamkeit, Bindung und Stimmbildung fördert“, so das Forschungsteam.

Neues Modell für die menschliche Sprachentwicklung?

Die neuen Erkenntnisse legen außerdem nahe, dass sich Große Tümmler als vielversprechendes Tiermodell für Studien zur menschlichen Sprachevolution und dem vokalen Lernen eignen könnten, wie Sayigh und ihre Kollegen berichten. Bislang galten Singvögel als bevorzugtes Modell. Doch durch die vielen Ähnlichkeiten, die Delfine mit uns teilen, – darunter komplexe soziale Strukturen und lang andauernde Mutter-Kind-Bindungen – könnten sie den Vögeln vielleicht bald den Rang ablaufen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2023; doi: 10.1073/pnas.2300262120)

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences

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