Honigbienen nutzen die Duftnoten von Blüten als Orientierunghilfe bei ihren Flügen und brauchen daher ein gutes „Duftgedächtnis“. Bisher nahmen die Forscher an, dass die Insekten diese Informationen in nur einer Gehirnhälfte speichern – im Gegensatz zum Menschen und den meisten Wirbeltieren. Doch jetzt hat ein Berliner Wissenschaftler das Gegenteil bewiesen.
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Bienen besitzen wie alle Insekten im Gehirn besonders auffällige Strukturen, so genannte Pilzkörper, die aus etwa 170.000 dicht gepackten Nervenzellen bestehen und symmetrisch links und rechts im Hirn liegen. Hier kommen Informationen über Bilder, Düfte und mechanische Reize an, werden verarbeitet und gespeichert. Pilzkörper wurden deshalb auch als Sitz der Insektenintelligenz bezeichnet.
Bisher wurde angenommen, dass bei Insekten die Informationen in den beiden Hirnhälften getrennt gespeichert und bewertet werden. Dr. Bernhard Komischke vom Institut für Neurobiologie der Freien Universität Berlin ist im Rahmen seiner Dissertation zum ersten Mal der Nachweis gelungen, dass die beiden Pilzkörper miteinander verschaltet sind und somit ein den beiden Hirnseiten übergeordnetes integratives Lernzentrum bilden. Mit dieser Funktion scheinen die Pilzkörper den Seiten übergreifenden Strukturen der Wirbeltierhirne zu ähneln.
Düfte als Orientierunghilfe
Die Orientierung anhand von Düften ist für Honigbienen mindestens ebenso wichtig wie die optische Orientierung an Landschaftsmerkmalen und Sonnenstand. Bei der Wahrnehmung und Verarbeitung olfaktorischer Reize leisten die Insekten Erstaunliches. Sie registrieren nicht nur jede einzelne Komponente des Blütenduftes, sondern auch die für jede Blume spezielle Mixtur und deren Wert für die Nektarsuche. Da das Nektarangebot der aufgesuchten Pflanzen sowohl während der Saison als auch während des Tages schwankt, müssen Bienen ihre Sammelroute ständig aktualisieren.
In seinen Versuchen hat Komischke den Bienen zwei verschiedene Düfte angeboten, mal einzeln oder als Gemisch, mal nur mit der linken oder mit der rechten Antenne wahrnehmbar. Sollten sie sich einen Duft oder das Gemisch aus beiden merken, wurden die Tiere mit Zuckerwasser belohnt. Als Beleg für den Lernerfolg strecken Bienen in Erwartung der Belohnung ihren Rüssel. So haben die Insekten gelernt, dass die Einzeldüfte nicht belohnt werden, dafür aber das Gemisch.
Der umgekehrte Lernprozess ist wesentlich anspruchsvoller, denn hierbei durften sie nur ihren Rüssel strecken, wenn sie die einzeln angebotenen Düfte wahrnahmen, nicht jedoch beim Gemisch. Zur Lösung dieser Lernaufgaben mussten die Bienen die Informationen, die in dem linken und dem rechten Pilzkörper ankamen, miteinander vergleichen und bewerten können, das Duftgedächtnis der Honigbiene wird also Seiten übergreifend gebildet.
Duftgedächtnis auf beiden Gehirnhälften veranktert
Man ging allerdings bisher davon aus, dass das einfache Duftgedächtnis, wenn nur ein Duft gespeichert werden soll, schon im Antennenlobus, also der ersten verarbeitenden Hirnstruktur und damit seitlich getrennt abgelegt werden können. „Meine Arbeit hingegen zeigt, dass selbst bei einfachen Lernvorgängen die Pilzkörper beteiligt sind, und zwar beide Pilzkörper Seiten übergreifend“, ergänzt der Berliner Neurowissenschaftler. Ein weiteres Experiment zeigte, dass sich die beiden Hirnhälften in ihren Lernvorgängen stören, wenn auf den einzelnen Antennen gleichzeitig unterschiedliche Lernaufgaben zu bewältigen waren.
Während seiner Untersuchungen konnte Bernhard Komischke außerdem eine interessante Verhaltensbeobachtung machen: Bienen können lernen, schneller zu lernen – mit steigender Zahl gleicher Problemstellungen lösen sie die Aufgabe schneller. „Dabei lernt die Biene keine abstrakten Regeln, vielmehr ändert sich etwas am Gesamtzustand der Biene, genauer gesagt, am Zustand ihres Nervensystems, was sich allgemein mit dem Begriff ?Aufmerksamkeit‘ beschreiben lässt“, erklärt der Neurobiologe. Welche neurologischen Vorgänge die Lerngeschwindigkeit erhöhen, konnte innerhalb dieser Untersuchung nicht geklärt werden.
Komischke geht davon aus, dass Bienen dreidimensional riechen können und sich entsprechend im „Duftraum“ orientieren – die Möglichkeiten dazu wären durch die Seiten übergreifende Duftverarbeitung gegeben. Das 3D-Riechen möchte er nun in weiteren Experimenten belegen.
(Freie Universität Berlin, 27.05.2005 – NPO)