Fatale Kombination: Auch vermeintlich „bienensichere“ Insektizide können Honigbienen schaden. Wie eine Studie offenbart, wirkt sich das als möglicher Ersatz für verbotene Neonicotinoide gehandelte Mittel Flupyradifuron negativ auf das Verhalten und die Überlebensrate der Bestäuber aus. Vor allem in Kombination mit einem bestimmten Fungizid entfaltet der Wirkstoff demnach schädliche Effekte. Dies zeigt den Forschern zufolge, dass bei der Risikoabschätzung von Pestiziden auch mögliche Wechselwirkungen zwischen Mitteln berücksichtig werden müssen.
Schon seit Jahren registrieren Wissenschaftler ein stetes Schwinden von Bienen und vielen anderen Insekten in unserer Natur. Als eine der möglichen Ursachen gilt der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft: Insektizide wie die sogenannten Neonicotinoide schaden erwiesenermaßen der Gesundheit von Honigbienen, Hummeln, Wespen und Co. Einige dieser Mittel sind aus diesem Grund zwar inzwischen für den Freilandeinsatz verboten worden – doch wie steht es um die Gefährlichkeit der dafür auf den Markt gekommenen Ersatz-Insektizide?
Dass auch vermeintlich „bienensichere“ Alternativen schädlich sein können, haben Forscher erst im vergangenen Jahr am Beispiel von Sulfoxaflor gezeigt. Demnach beeinträchtigt der Wirkstoff den Fortpflanzungserfolg von Erdhummeln. Simone Tosi von der University of California in San Diego und ihre Kollegen haben nun einen weiteren möglichen Neonicotinoid-Ersatz unter die Lupe genommen: Flupyradifuron. Dieses Mittel gehört zwar zu einer anderen Stoffgruppe, ist den Neonicotinoiden aber trotzdem chemisch ähnlich und kann wie sie in das Nervensystem von Tieren eingreifen.
Insektizid unter der Lupe
„Wie das Mittel genau auf Bienen wirkt, haben jedoch erst wenige Studien untersucht“, erklären die Wissenschaftler. Diese Forschungsarbeiten zeigen, dass hohe Dosen des Insektizids die Kognition, den Geschmackssinn und das Lernverhalten von Bienen beeinträchtigen können. Konzentrationen, wie sie normalerweise auf den Feldern vorkommen, gelten bisher aber als relativ unbedenklich. Doch stimmt das auch?
Um dies zu überprüfen, haben Tosi und ihr Team das Mittel an Honigbienen aus sechs gesunden Kolonien in den USA getestet. Dafür fütterten sie einige Insekten mit einer Zuckerlösung, die entweder nur mit Flupyradifuron versetzt war oder mit Flupyradifuron und dem Fungizid Propiconazol. Die Idee dahinter: Propiconazol wird oftmals auf denselben Feldern ausgebracht wie das Insektizid. Bienen können daher mit beiden Mitteln gleichzeitig in Kontakt kommen – und dadurch ergeben sich möglicherweise schädliche synergetische Effekte, wie die Forscher vermuteten.
Schädliche Kombination
Tatsächlich offenbarten die Ergebnisse: Während sich Flupyradifuron allein erst in vergleichsweise hohen Dosen negativ auf die Honigbienen auswirkte, entfaltete das Mittel in Kombination mit dem Fungizid bereits in deutlich niedrigeren Konzentrationen schädliche Effekte – und das obwohl das Team das Fungizid in einer Dosis eingesetzt hatte, die Bienen allein nachweislich nicht schadet.
Der Wirkstoff-Cocktail schien dabei zum einen das Verhalten der Insekten zu verändern. So hatten die Tiere zum Beispiel Koordinationsschwierigkeiten oder waren hyperaktiv. Zum anderen senkte die Belastung mit den Mitteln auch die Überlebensrate der Bienen. „Insgesamt zeichnet sich ab, dass Flupyradifuron auch in feldrealistischen Dosen das Überleben und das Verhalten von Bienen beeinträchtigen kann – nämlich dann, wenn es mit dem Fungizid Propiconazol kombiniert wird“, berichten die Forscher.
Sammlerinnen leiden besonders
Die Schadwirkung der Pflanzenschutzmittel war jedoch nicht immer gleich stark. Wie die Experimente zeigten, reagieren Honigbienen im Sommer offenbar empfindlicher auf das Insektizid als im Frühjahr. Außerdem scheinen ausgerechnet die Sammlerbienen stärker unter der Belastung zu leiden als andere Mitglieder des Bienenvolkes – möglicherweise wegen ihres geringeren Gewichts. Diese Erkenntnis ist den Forschern zufolge besonders besorgniserregend, weil gerade für die sammelnden Arbeiterinnen das Risiko hoch ist, mit Pestiziden in Kontakt zu geraten.
Alles in allem macht die Studie deutlich, dass auch vermeintliche Alternativen für die umstrittenen Neonicotinoide Risiken für Bienen und andere Insekten darstellen können. In Zukunft müssten auch mögliche Wechselwirkungen zwischen Mitteln verstärkt bei den offiziellen Risikoabschätzungen berücksichtigt werden, wie Tosi und ihre Kollegen betonen. Flupyradifuron wird unter dem Markennamen Sivanto vertrieben und wurde im Jahr 2015 von der EU-Kommission für zehn Jahre zugelassen. In Deutschland ist das Mittel noch nicht auf dem Markt. (Proceedings of the Royal Society B, 2019, doi: 10.1098/rspb.2019.0433)
Quelle: Royal Society