Botanik

Auch Pflanzen haben eine Pubertät

Pflanzen-Teenies verraten sich durch ihre Genaktivität

Junge Arabidopsis thaliana
Die Biologen nutzten für ihre Tests die Modellpflanze Arabidopsis thaliana. © pkujiahe / iStock

Genetisches Muster: Wenn Pflanzen heranwachsen, durchleben auch sie eine Art Pubertät. Erkennbar ist dies an einem speziellen Muster der Genaktivität. Tausende Gene werden dann verstärkt oder vermindert abgelesen, wie Biologen festgestellt haben. Dadurch koordinieren die Pflanzen die Ausbildung ihrer Fortpflanzungsorgane und vernachlässigen zugleich ihr Blattwachstum. Die Erkenntnisse könnten künftig Landwirten helfen, den perfekten Erntezeitpunkt zu erkennen. Denn im Gegensatz zu äußeren Merkmalen zeigen die Gene die Pubertät zuverlässig an.

Nicht nur Menschen, auch Pflanzen kommen in die Pubertät. In diesem Entwicklungsstadium wachsen sie nicht mehr nur, sondern werden geschlechtsreif und gehen in ihre reproduktive Lebensphase über. Dabei reduzieren sie ihr Blätterwachstum, lassen diese manchmal sogar absterben und stecken die Energie stattdessen in die Ausbildung von Fortpflanzungsorganen wie den Blütenknospen. Anders als bei menschlichen Teenagern dauert die pflanzliche Pubertät aber nicht Jahre, sondern oft nur zwei bis drei Tage.

Timing für die Ernte wichtig

Für Landwirte und Verbraucher ist es wichtig, diesen Übergang nicht zu verpassen. Denn während der Pflanzen-Pubertät werden auch die Nährstoffe in der Pflanze neu verteilt: von den Blättern zu den Fortpflanzungsorgangen und schließlich in die Blüten, Früchte und Körner. Um Lebensmittel mit mehr Nährstoffen zu erhalten, ist daher bei der Ernte ein gutes Timing wichtig. Idealerweise werden alle angebauten Pflanzen einer Art im selben biologischen Entwicklungsstadium geerntet – sei es vor oder nach der Pubertät.

Doch wie bei uns setzt die Pubertät auch bei Pflanzen nicht bei allen Individuen zur selben Zeit ein, selbst wenn sie gleich alt sind. „In mancher Hinsicht ist das Wachstum von Pflanze und Mensch sehr ähnlich: Jeder erlebt es auf seine ganz eigene Art und Weise“, sagt Seniorautorin Daphne Ezer von der University of York.

Modellpflanze im Fokus

Ein Team um Ezer und Erstautor Ethan Redmond von der University of York hat nun genauer untersucht, woran man Pflanzen-Teenies erkennen kann. Dafür nutzten die Biologen die Modellpflanze Arabidopsis thaliana – eine Art wilder Senf, der den Brassica-Pflanzen wie Kohl und Brokkoli ähnelt. Durch jahrelange Inzucht sind die Samen dieser Art genetisch nahezu identisch und daher gut vergleichbar.

68 dieser Pflanzen kultivierten die Forschenden unter möglichst konstanten Wachstumsbedingungen hinsichtlich Licht, Wasser, Temperatur und Bodenbeschaffenheit. Obwohl sie am selben Tag ausgesät wurden, trat die Pubertät bei den Jungpflanzen tatsächlich asynchron an unterschiedlichen Tagen ein. Als etwa die Hälfte der Pflanzen das Teenager-Stadium erreicht hatte, verglichen Redmond und seine Kollegen per RNA-Sequenzierung von Blätterproben, welche Gene in den Pflanzen jeweils aktiv waren. In diesem Muster suchten sie mit einem Algorithmus nach Unterschieden, die den Beginn der Pubertät markieren.

Gene verraten Pubertät, bevor sie sichtbar wird

Tatsächlich fanden die Forschenden zahlreiche spezifische genetische Veränderungen, die mit dem Zeitpunkt der sichtbaren Entwicklungsveränderung korrelierten. Insgesamt 3.734 Gene werden nach Einsetzen der Pflanzen-Pubertät stärker und 6.967 Gene vermindert abgelesen. Wie bei einer Kettenreaktion verändert sich dabei, welche Gene aktiv sind. Teenie-Pflanzen lassen sich demnach an ihrem genetischen Muster erkennen und das zuverlässiger als an Messwerten wie Blattgröße oder Biomasse, wie das Team berichtet.

„Die Pflanzen beginnen sogar früher als erwartet, Nährstoffe von ihren Blättern in ihre Blütenstrukturen umzuleiten“, sagt Ezer. Die Genaktivität verriet zudem, dass die Pflanzen bereits mit der Vernachlässigung ihrer Blätter beginnen, noch bevor Fortpflanzungsstrukturen wie Blütensprosse sichtbar sind. Demnach bilden sie zunächst in den Blättern weniger Ribosomen aus – jene Fabriken in den Zellen, wo Proteine hergestellt werden. Schrittweise stellen sie dann weitere Zellfunktionen ein bis schließlich keine Fotosynthese mehr stattfindet und die Blätter absterben.

Wo liegt der praktische Nutzen?

„Um den Nährwert von Pflanzen zu steigern, müssen die Landwirte möglicherweise auf diese verborgenen Prozesse achten, die lange vor sichtbaren Anzeichen des Übergangs von der Vegetation zur Fortpflanzung ablaufen“, so Ezer. Wenn Bauern auf die Teenager-Zeichen achten, könnten sie demnach Lebensmittel mit höherer und einheitlicherer Qualität erzeugen.

Wie nützlich die neuen Erkenntnisse allerdings in der Praxis sind, bleibt abzuwarten. Denn die Analyse der Genaktivität ist nicht mal eben am Feldrand machbar. Dazu kommt, dass die angebauten Nutzpflanzen genetisch weit weniger einheitlich sind als die Modellpflanze Arabidopsis. Dennoch könnte der Einblick in die Pflanzenpubertät dazu beitragen, einige grundlegenden Abläufe dieser Übergangsphase besser zu verstehen. (The Plant Cell, 2024; doi: 10.1093/plcell/koae226)

Quelle: University of York

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