Kichern, hüpfen, sich krümmen: Werden Ratten gekitzelt, reagieren sie ähnlich wie wir. Sie „kichern“ mit Ultraschall-Rufen und folgen der Hand, um noch mehr Kitzeleinheiten zu bekommen. Ein Blick in ihr Gehirn verrät: Das ist mehr als nur ein Reflex, denn beim Gekitzeltwerden feuern spezielle Hirnzellen, die auch beim Spielen anspringen. Das deutet darauf hin, dass das Kitzeln eine evolutionär alte soziale Reaktion darstellt, wie Forscher in „Science“ berichten.
Wenn uns jemand kitzelt, können wir nicht anders: Wir müssen lachen, zucken unwillkürlich zusammen oder krümmen uns sogar vor Lachen. Seltsamerweise aber funktioniert diese instinktive Reaktion nicht immer: Wir sind erstaunlicherweise nicht kitzlig, wenn wir Angst empfinden und auch sich selbst zu kitzeln funktioniert nicht. Aber warum eigentlich? Und was passiert beim Gekitzeltwerden im Gehirn?
Schon Aristoteles und Charles Darwin dachten über diese Fragen nach. Die Mechanismen, die der Kitzligkeit zugrunde liegen, sind jedoch bis heute weitgehend unbekannt. Um mehr Klarheit zu schaffen, haben nun Shimpei Ishiyama und Michael Brecht von der der Humboldt-Universität Berlin untersucht, ob auch Ratten kitzlig sind und was bei ihnen während des Kitzelns im Gehirn passiert.
Ultraschall-„Kichern“ und Freudensprünge
Und tatsächlich: Als die Forscher ihre Ratten am Bauch kitzelten, reagierten diese prompt: Sie stießen Ultraschalltöne im 50-Kilohertzbereich aus, vollführten eine Art „Freudensprünge“ und liefen aktiv auf die Hand der Forscher zu, um weitergekitzelt zu werden. Bei einer bloß sanften Berührung blieben die Rufe und auch das aktive Folgen dagegen aus, wie die Wissenschaftler berichten.
„Mit den 50 Kilohertz-Vokalisierungen zeigen die Ratten eine positive Stimmungslage“, erklären Ishiyama und Brecht. Es entspricht in etwa einem unwillkürlichen Lachen oder Kichern beim Menschen. Ähnlich wie bei uns löst das Gekitzeltwerden demnach auch bei den Ratten ein eher angenehmes Gefühl aus.
Angst hemmt Kitzligsein
Allerdings: Auch Ratten sind nicht an jedem Körperteil und in jeder Situation gleich kitzlig. Der Bauch erwies sich im Experiment zwar als die kitzligste Stelle der Nager. Doch selbst dort folgte nicht immer eine Reaktion: Hatten die Ratten Angst, weil sie einem hellen Licht ausgesetzt waren oder auf einer kleinen, ungeschützten Plattform saßen, sprachen sie auf kein Kitzeln mehr an.
„Das bestätigt Charles Darwins Idee, dass ‚der Geist in einem angenehmen Zustand sein muss‘, damit ein Kitzeln Gelächter auslösen kann“, sagen Ishiyama und Brecht. „Die Kitzelreaktion ist demnach kein simpler Reflex, der immer bei bestimmten Berührungen ausgelöst wird.“ Auch bei uns Menschen ist die Kitzligkeit stimmungsabhängig, wie Studien bereits zeigten.
„Kitzelzellen“ im Kortex
Aber warum ist das so? Und was passiert beim Gekitzeltwerden im Gehirn? Um das herauszufinden, zeichneten die Forscher während des Kitzelns die Aktivität im somatosensorischen Kortex der Ratten auf – der Region, die Tastempfindungen verarbeitet. Bestimmte Areale in dieser Region sind dabei für bestimmte Körperteile zuständig.
Dabei zeigte sich: Wurden die Ratten am Bauch gekitzelt, wurde das für den Rumpf zuständige Areal des somatosensorischen Kortex aktiv. Das bestätigt, dass Kitzeln kein reiner, bloß vom Rückenmark gesteuerter Reflex ist. Dabei feuerten jedoch nur bestimmte Zellen, wie die Forscher feststellten. „Es sieht so aus, als hätten wir die kitzlige Stelle im Gehirn gefunden“, sagt Brecht.
Evolutionär sehr altes Verhalten
Die Tatsache, dass schon Ratten neuronal aufs Kitzeln geeicht sind, spricht nach Ansicht der Forscher dafür, dass es sich hier um ein evolutionär altes Verhalten handelt. „Die vielen Ähnlichkeiten zwischen der Kitzligkeit bei Ratten und Menschen deutet darauf hin, dass es sich um eine sehr alte und konservierte Form der sozialen Körperlichkeit handelt“, konstatieren die Wissenschaftler.
Interessanterweise reagierten diese „Kitzelzellen“ auch, wenn die Ratten Spielverhalten zeigten. „Die Ähnlichkeit von Zellantworten beim Kitzeln und Spielen ist bemerkenswert“, so Brecht. „Vielleicht dient Kitzeln dazu, Individuen zum gemeinsamen Spielen zu bringen und gewinnt dadurch für das soziale Miteinander an Bedeutung.“ (Science, 2016; doi: 10.1126/science.aah5114)
(Science/ Humboldt-Universität zu Berlin, 14.11.2016 – NPO)