Bisher war unklar, ob Menschenaffen ihre Handlungen gezielt im Voraus planen können oder doch nur aus momentanem Antrieb heraus handeln. Jetzt hat ein Zooschimpanse den ersten Beleg geliefert, dass er tatsächlich plant: Er legte zunächst in aller Ruhe ein Arsenal von Wurfgeschossen an, die er dann später, wenn Zoobesucher ihn nervten, auf diese warf.
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Schon häufiger haben Wissenschaftler an Affen Verhaltensweisen beobachtet, die auf gezielte Planung zurückzugehen schienen. Bisher war es dabei jedoch nicht möglich, eindeutig zu unterscheiden, ob die Affen damit auf gegenwärtige Bedürfnisse reagieren – dann wäre es keine echte Planung – oder aber auf zukünftige und damit echtes Vorausdenken.
Wenn beispielsweise ein Schimpanse einen Zweig abbricht um damit Termiten zu fischen, oder einen Stein aufliest um eine Nuss zu knacken: Hat er dabei auf seinen momentanen Hunger oder den Anblick eines Termitenhügels oder einer Nuss reagiert oder denkt er wirklich soweit im Voraus, dass er diese Werkzeuge sammelt, um für zukünftigen Hunger gewappnet zu sein? Im schwedischen Furuvik-Zoo lieferten Beobachtungen an einem Schimpansen-Männchen den Wissenschaftlern nun den ersehnten Beleg:
Geplantes Sammeln und Formen von Wurfgeschossen
Über zehn Jahre hinweg beobachteten sie das Affenmännchen immer wieder dabei, wie es im Laufe eines Tages Steine einsammelte und diskusförmige Scheiben aus Beton formte. Später dann nutzte er diesen Vorrat, um damit Zoobesucher zu bewerfen. Das besondere daran: Im Gegensatz zu seinem späteren wütenden und aufgeregten Verhalten beim Steine werfen war das Tier immer extrem ruhig und ausgeglichen während es seine Wurfgeschosse sammelte.
Und genau das macht nach Ansicht der Forscher diesen Fall so besonders. Denn es belegt, dass das Sammeln nicht auf einem augenblicklichen Antrieb oder Reiz zurückgeht, sondern eine zukünftige Verwendung der Steine antizipiert.
Komplexe Innenwelt erlaubt Vorausplanung
„Diese Beobachtungen belegen überzeugend, dass unsere Mitprimaten die Zukunft auf komplexe Weise bedenken“, erklärt Mathias Osvath von der Lund Universität in Schweden. „Das deutet darauf hin, dass sie ein hochentwickeltes Bewusstsein haben, das auch lebensechte mentale Simulationen von potenziellen Ereignissen durchführt.“
Nach Ansicht des Forschers besitzen die Schimpansen höchstwahrscheinlich eine “innere Welt“ wie wir, wenn wir vergangene Episoden unseres Lebens Revue passieren lassen oder an Kommendes denken. „Wenn wilde Schimpansen Steine sammeln oder in den Krieg ziehen, planen sie das vermutlich im Voraus“, so Osvath. „Ich würde vermuten, dass ein Großteil ihres Alltagsverhaltens geplant ist. Ich glaube, dass wilde Schimpansen sogar besser planen können, da ihr tägliches Überleben davon abhängen kann. Zooschimpansen sind niemals den Gefahren des Waldes ausgesetzt und kennen keine Phasen mit zu wenig Nahrung. Im echten Leben wäre daher Planung von noch viel größerem Nutzen als im Zoo.“
(Lund Universität, 12.03.2009 – NPO)