Vom Festland auf die Insel: Auch Schwebfliegen gehören zu den Zugtieren unter den Insekten. Wie Radarbeobachtungen enthüllen, pendeln jedes Jahr bis zu vier Milliarden dieser Tiere zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland hin und her. Die Schwebfliegen sorgen dadurch für wichtigen Nachschub an Bestäubern und transportieren auch Pollen und Nährstoffe über den Ärmelkanal, wie Forscher im Fachmagazin „Current Biology“ berichten.
Zugvögel sind nicht die einzigen Tiere, die im Rhythmus der Jahreszeiten um die Welt reisen. Auch manche Fische, Säugetiere und sogar Insekten pendeln alljährlich zwischen ihren Winter- und Sommerlebensräumen. So legt beispielsweise der Monarchfalter auf seinem Weg zwischen Nord- und Südamerika viele tausend Kilometer zurück und auch der Distelfalter oder die Wanderlibelle sind echte Langstreckenflieger.
Unerforschte Wanderer
„Von vielen anderen Insektenspezies sind die Migrationsmuster bisher allerdings gar nicht bekannt“, erklären Karl Wotton von der University of Exeter und seine Kollegen. „Dazu gehört unter anderem die Gruppe der Schwebfliegen.“ Diese oftmals mit Bienen oder Wespen verwechselten Insekten sind wichtige Bestäuber von Beerenobst und Getreide und machen sich außerdem als Schädlingsbekämpfer nützlich. Denn Schwebfliegenlarven ernähren sich mit Vorliebe von Blattläusen.
Um mehr über die Flugbewegungen der Schwebfliegen herauszufinden, nutzten die Wissenschaftler speziell für die Beobachtung von Insekten ausgelegte Radargeräte. Mit deren Hilfe beobachteten sie in Großbritannien das Wanderverhalten von zwei in Europa heimischen Arten: der Hainschwebfliege (Episyrphus balteatus) und der Gemeinen Feldschwebfliege (Eupeodes corollae).
Bis zu vier Milliarden Pendler
Das überraschende Ergebnis: Jedes Jahr pendeln zwischen eine und vier Milliarden Schwebfliegen zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland hin und her. Wie das Forscherteam herausfand, warten die Insekten im Frühjahr auf günstige Winde, um dann in einer Höhe von bis zu 1.000 Metern vom Festland auf die britische Insel zu fliegen. Im Herbst kehren sie über den Ärmelkanal dann wieder zurück.
Interessanterweise begeben sich dabei deutlich mehr Schwebfliegen auf den Rückflug als im Frühjahr angekommen sind. Die Tiere vermehren sich offenbar so erfolgreich, dass trotz hoher Verluste durch Fressfeinde und Parasiten im Herbst bis zu eine Milliarde zusätzliche Tiere auf dem Festland landen. „Großbritannien ist also ein Netto-Exporteur von Schwebfliegen“, konstatiert Wottons Kollege Jason Chapman.
Wichtige Bestäubungsleistung
Es ist vor allem die enorme Anzahl der wandernden Schwebfliegen, die die Wissenschaftler erstaunt. Angesichts dieser Menge an Pendlern gehen sie davon aus, dass die Tiere in Großbritannien einen erheblichen Einfluss auf die Ökosysteme haben. Ihren Schätzungen zufolge bestäuben die Schwebfliegen viele Milliarden Blüten und deren Larven könnten zwischen drei und zehn Billionen Blattläuse fressen.
Außerdem transportieren die Insekten auf ihrem Flug Milliarden von Pollenkörnern und verteilen viele Tonnen Nährstoffe zwischen Großbritannien und Europa. Wie die Forscher betonen, könnten die Schwebfliegen folglich ein Schlüssel zum Erhalt der Bestäubungsleistung durch Insekten und damit dem Erhalt der Biodiversität auf der Erde sein.
Stabile Populationen
In diesem Zusammenhang stimmt eine weitere Beobachtung des Teams hoffnungsvoll. So offenbarten die Auswertungen zwar, dass die Zahl der migrierenden Schwebfliegen von Jahr zu Jahr erheblich schwanken kann. Wotton und sein Team stellten im Laufe des zehnjährigen Beobachtungszeitraums allerdings keinen langfristigen Negativtrend fest.
Insgesamt scheinen die Populationen der Schwebfliegen demnach einigermaßen stabil zu sein – im Gegensatz zu einigen anderen wichtigen Bestäubern. „Wir wissen aus früheren Studien, dass migrierende Insekten in der Regel nicht so stark zurückgehen wie an einem Ort lebende Arten. Wahrscheinlich können sie dank ihrer Mobilität die für sie besten Lebensräume ausfindig machen“, schließt Chapman. (Current Biology, 2019; doi: 10.1016/j.cub.2019.05.036)
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft