Links- oder Rechtshänder? Viele Bienen haben eine ausgeprägte Vorliebe für die linke oder die rechte Seite. In Experimenten fliegen manche Exemplare fast ausschließlich rechts, andere hingegen links herum. Diese Händigkeit ist bei ihnen jedoch weitaus weniger einseitig verteilt als bei uns. Während Menschen überwiegend rechtshändig sind, scheint die Präferenz für eine Seite bei den Insekten gleichmäßiger verteilt und eher individuell zu sein. Dies könnte ihren Flug im Schwarm effizienter machen.
Der Mensch ist bei weitem nicht das einzige Lebewesen, das für bestimmte Aktionen bevorzugt eine Hand, ein Auge oder einen Fuß benutzt. Ganz im Gegenteil: Das Phänomen der Händigkeit zieht sich quer durch das Tierreich – allerdings in ganz unterschiedlicher Weise. Während bei uns Menschen die Rechtshänder klar in der Überzahl sind, präferieren zum Beispiel Kängurus mehrheitlich die linke Seite.
Und unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, sind zwar auch überwiegend rechtshändig. Der Anteil der Linkshänder liegt bei ihnen jedoch bei einem Drittel, bei uns sind es nur zehn bis fünfzehn Prozent. Bei anderen Tieren wiederum ist die Vorliebe für eine Seite dagegen nahezu gleichmäßig verteilt. Doch wie sieht das eigentlich bei Insekten wie der Honigbiene aus? Gibt es auch unter den Pollensammlern Links- und Rechtshänder?
Fliegende Rechtshänder
Dieser Frage haben sich nun Marielle Ong von der University of Queensland in Brisbane und ihre Kollegen gewidmet. Für ihre Experimente versperrten sie Bienen auf Nahrungssuche den Weg durch eine mit zwei gleich großen Öffnungen versehene Barriere – eine auf der linken und eine auf der rechten Seite. Welche Öffnung würden die Insekten wählen, um das Hindernis zu überwinden?
Bei der Auswertung der Flugrouten zeigte sich: Insgesamt war innerhalb der Bienenpopulation keine eindeutige Präferenz für eine Seite auszumachen. Denn die rechte Öffnung wurde im Test ähnlich oft gewählt wie die linke. Auf individueller Ebene offenbarten sich allerdings sehr wohl Unterschiede: Während rund 55 Prozent der Insekten keine spezielle Seite bevorzugten, zeigten die anderen eine stark ausgeprägte Händigkeit. Von diesen 45 Prozent bog die eine Hälfte mit Vorliebe rechts ab, die andere dagegen fast ausschließlich links.
Händigkeit erschwert Entscheidung
In einem zweiten Schritt veränderten die Wissenschaftler die Größe der Öffnungen: Ein Durchflugloch war nun kleiner und damit schwieriger zu durchfliegen. Konfrontiert mit diesen Optionen, wählten die Bienen im Schnitt nun deutlich häufiger die sichere und schnellere Variante. Die Tendenz zur großen Öffnung wurde dabei umso stärker, je deutlicher sich die Größe der beiden Öffnungen unterschied.
Auch die Bienen mit einer ausgeprägten Händigkeit folgten diesem Muster – die Wahl für die schnellere Durchflugvariante schien ihnen dabei jedoch mitunter schwerer zu fallen als ihren nicht-händischen Artgenossen. Entsprach die größere Öffnung nicht ihrer instinktiv bevorzugten Seite, benötigten sie mehr Zeit, um sich zu entscheiden und das Loch schließlich zu durchfliegen. Für die Forscher ist das ein weiterer Beleg für die stark ausgeprägte Händigkeit mancher Honigbienen.
Vorteile beim Navigieren?
„Anders als bei Menschen, die überwiegend rechtshändig sind, variiert die Händigkeit bei Bienen von Individuum zu Individuum“, sagt Ongs Kollege Mandyam Srinivasan. Diese individuellen Vorlieben könnten die Flugeffizienz im Schwarm erhöhen, wenn die Bienen durch Umgebungen mit vielen Hindernissen navigieren müssen, glaubt das Team.
„Insekten sind ständig mit der Herausforderung konfrontiert, effiziente, sichere und kollisionsfreie Routen zu wählen, während sie zum Beispiel durch dichtes Blattwerk fliegen“, erklärt Srinivasan. Dass eine einheitliche Händigkeit beim Navigieren helfen kann, hatten die Forscher zuvor bei Vögeln gezeigt. Dabei wiesen sie nach, dass die Tiere im Flug selten kollidieren, weil sie immer nach rechts ausweichen.
Für große Insektenschwärme, die schnell durch stark zerklüftete Landschaften fliegen müssen, scheint dagegen eine unterschiedliche Händigkeit von Vorteil zu sein. Denn sie vermeidet „Staus“. „Diese Erkenntnis kann in Zukunft möglicherweise als Strategie genutzt werden, um Drohnen-Flotten durch dichte bebaute Gebiete zu steuern“, schließt Srinivasan. (Plos One, 2017; doi: 10.1371/journal.pone.0184343)
(University of Queensland, 06.11.2017 – DAL)