Drei Sekunden – etwa so lange empfinden die meisten Menschen einen direkten Augenkontakt als angenehm, wie ein Experiment enthüllt. Diese bevorzugte Blickdauer ist dabei überraschenderweise unabhängig von Alter, Geschlecht oder Attraktivität. Stattdessen spielt die Pupillenweite offenbar eine wichtige Rolle: Weiten sie sich unwillkürlich beim Anblick des Gegenübers, halten wir dessen Blick länger aus, wie Forscher im Fachmagazin „Open Science“ berichten.
Schau mir in die Augen – der Blickkontakt mit unserem Gegenüber ist ein wichtiger Aspekt unserer nonverbalen Kommunikation. Wir erfassen dabei nicht nur Mimik, Gesichtszüge und Aussehen, sondern registrieren unbewusst auch subtile Hinweise auf Stimmung, Absichten, Vertrauenswürdigkeit und die Persönlichkeit des anderen.
Typischerweise findet dabei ein fein austarierter Wechsel von direktem Anschauen und dem Wiederabwenden des Blicks statt. „Das Blickverhalten zweier Menschen ist hochgradig dynamisch“, erklären Nicola Binetti vom University College London und ihre Kollegen. Dauert der Blick zu lange, wird er schnell als aufdringlich oder bedrohlich empfunden. Ist er dagegen zu kurz, macht dies ebenfalls misstrauisch und spricht für eher geringe Sozialkompetenz.
Blickwechsel für die Wissenschaft
Aber wie lange dauert der genau richtige Blickkontakt? Erstaunlicherweise wurde das bisher noch nicht systematisch untersucht. Binetti und ihre Kollegen haben dies nun in einem Experiment nachgeholt. Dafür baten sie knapp 500 Freiwillige unterschiedlichen Alters im Londoner Science Museum, sich kurze Videoclips anzuschauen. In diesen war das Gesicht eines Mannes oder einer Frau zu sehen, der oder die die Probanden jeweils unterschiedlich lange direkt ansah.
Während der Videos trugen die Probanden Eyetracker, die ihre Blickrichtung, aber auch die Weite ihrer Pupillen erfassten. Nach jedem Clip gaben die Teilnehmer per Buttonklick, ob sie den Blickwechsel als angenehm oder unangenehm empfanden. Die Forscher führten zudem mit allen eine psychologische Befragung durch, um eine grobe Einordnung der Persönlichkeitsmerkmale zu erhalten.
Gut drei Sekunden sind optimal
Das Ergebnis: Die meisten Menschen empfinden einen Blickkontakt von etwas mehr als drei Sekunden als genau richtig und angenehm. Im Experiment lag der Durchschnitt der Teilnehmer bei 3,3 Sekunden – und das unabhängig von Geschlecht, dem Alter oder der Attraktivität der Blickpartner. „Nur bei Männern nahm mit steigendem Alter die Blickdauer zu – wenn ihr Gegenüber eine weibliche Schauspielerin war“, berichten die Forscher.
Überraschenderweise spielt auch die Persönlichkeit keine Rolle, denn man würde vielleicht erwarten, dass offene Menschen längere Blicke tauschen. Doch wie die Probanden im Psychotest in Bezug auf ihre Extrovertiertheit, ihre Offenheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit oder den Neurotizismus abgeschnitten hatten, beeinflusste ihre Blickpräferenzen nicht.
Die Pupille verrät es
Ein Faktor war aber sehr wohl mit der Blickdauer verknüpft, wie die Wissenschaftler mit ihrem Eyetracker herausfanden: Bei den Teilnehmern, die einen etwas längeren Augenkontakt bevorzugten, weiteten sich die Pupillen beim Anschauen ihres Gegenübers stärker und schneller. Schon länger ist bekannt, dass sich unsere Pupillen bei Freude, aber auch bei sexueller Erregung unwillkürlich weiten. Geweitete Pupillen gelten zudem als Zeichen des Vertrauens, verengte dagegen als Signal von Angst oder Aggression.
Wie aber hängt die Pupillenweitung mit der bevorzugten Blickdauer zusammen? An der Attraktivität des Gegenübers liegt es offenbar nicht: Im Experiment konnten die Wissenschaftler keinen Zusammenhang zu den Meinungen der Probanden über die jeweils angeschauten Video-Portraits feststellen. Warum Menschen, die tendenziell etwas länger hinschauen, ihre Pupillen stärker weiten, bleibt vorerst unklar.
Binetti und ihre Kollegen vermuten, dass es etwas mit subtilen Unterschieden im „sozialen Gehirn“ und bei der Verarbeitung sozialer Blickreize zu haben könnte. Doch dabei handelt es sich nur um eine Hypothese. „Weitere Untersuchungen werden nötig sein um herauszufinden, wie die bevorzugte Blickdauer und die Aktivität in den Hirnarealen für die Verarbeitung von Gesichtern und Blicken zusammenhängen“, so die Forscher. (Open Society, 2016; doi: 10.1098/rsos.160086)
(Royal Society, 07.07.2016 – NPO)