Psychologie

Aussehen beeinflusst unseren Sinn für Fairness

Ausgrenzung von Menschen mit kühleren, inkompetenten Gesichtszügen wird eher akzeptiert

Ob wir jemanden für zu Recht oder Unrecht ausgegrenzt halten, hängt auch von seinem Aussehen ab. © Julianna Funk/ iStock.com

Fair oder unfair? Ob wir die Ausgrenzung eines Menschen für Recht oder Unrecht halten, hängt von seinem Aussehen ab: Wirken seine Gesichtszüge eher kühl und inkompetent, finden Unbeteiligte den Ausstoß aus einer Gruppe eher akzeptabel als wenn derjenige liebenswürdiger und kompetenter aussieht. Das Problem dabei: Die Gesichtszüge sagen nichts über die Persönlichkeit aus – und sollten daher unser moralisches Urteil eigentlich nicht beeinflussen.

Die Gesichtszüge anderer Menschen verraten viel über ihren Charakter – so glauben wir jedenfalls. Frauen halten beispielsweise instinktiv Männer mit einem besonders maskulinen Gesicht für potenziell untreu und wir geben einem Politiker mit kompetentem Aussehen oder einer Politikerin mit femininen Gesichtszügen eher unsere Stimme. Dieser fehlgeleitete „Face-Ism“ reicht so weit, dass sogar Gerichtsurteile und Wahlentscheidungen vom bloßen Augenschein beeinflusst werden, warnen Forscher.

Ausgegrenzt – zu Recht oder Unrecht?

Ein weiteres Beispiel für „Face-Ism“ haben nun Selma Rudert von der Universität Basel und ihre Kollegen aufgedeckt. Für ihre Studie untersuchten sie, wie Unbeteiligte auf die soziale Ausgrenzung eines Menschen reagieren. Wird jemand grundlos aus einer Gruppe ausgeschlossen oder gemobbt, halten die meisten Menschen dies für unfair und inakzeptabel. Anders ist dies, wenn jemand beispielsweise ständig für Streit sorgt oder gegen Regeln verstößt. In vielen Fällen aber ist es schwierig, die Lage als Außenstehender zu bewerten.

Rudert und ihre Kollegen wollten daher wissen, welche Rolle dann bloße Äußerlichkeiten wie die Gesichtszüge des Betroffenen für die Meinung der Unbeteiligten spielen. Um das zu testen, zeigten die Forscher 480 Probanden jeweils kurz Männerportraits, die per Software in Bezug auf ihr Aussehen manipuliert worden waren. Die Gesichter variierten darin, ob sie eher kühl oder liebenswürdig aussahen und ob sie eher mehr oder weniger kompetent wirkten.

Die Teilnehmenden sahen jedes Gesicht für jeweils zwei Sekunden und mussten spontan entscheiden, wie akzeptabel sie es finden, dass eine Gruppe diese Person ausgrenzt.

Wer kühl und wenig kompetent wirkt, erhält im Falle einer sozialen Ausgrenzung weniger Unterstützung als Personen, die liebenswürdig und inkompetent aussehen. © mirellawalker.com

Schlechte Karten für kühl wirkende Gesichter

Das Ergebnis: Bei den Portraits mit den eher kühlen und wenig kompetenten Gesichtszügen zeigten die Probanden wenig Mitleid: Sie fanden die Ausgrenzung dieser Testpersonen häufiger akzeptabel als bei Männern mit liebenswerterem oder kompetenterem Aussehen. Je kühler jemand wirkt, desto eher sind wir offenbar bereit, seinen Ausschluss ohne Kenntnis der Umstände für berechtigt zu halten.

Weniger harsch urteilen wir dagegen über Menschen, die zwar inkompetent aber liebenswürdig aussehen: Bei solchen Gesichtern fanden die meisten Probanden einen Ausschluss inakzeptabel. Nach Ansicht der Forscher könnte dies könnte daran liegen, dass solche Personen häufig als besonders schützenswert wahrgenommen werden und sie auszugrenzen als besonders grausam erscheint.

Klarer Beleg für „Face-Ism“

„Unsere Ergebnisse belegen, dass das moralische Urteil von Menschen über eine soziale Ausgrenzung vom Aussehen beeinflusst wird“, berichten Rudert und ihre Kollegen. „Der erste subjektive Eindruck einer Person kann offenbar auch moralische Urteile beeinflussen, bei denen Objektivität eigentlich besonders wichtig wäre.“ Im Extremfall kann das dazu führen, dass ein Mobbingopfer oder zu Unrecht Ausgegrenzter keine Hilfe und Unterstützung bekommt, weil er einfach „falsch“ aussieht.

Obwohl es keine Belege für einen Zusammenhang zwischen Gesichtszügen und Persönlichkeitseigenschaften einer Person gibt, sitzen die Vorurteile in puncto Aussehen tief. Sie beeinflussen unser Urteil selbst dann, wenn es um die Bewertung eigentlich komplexer sozialer Zusammenhänge geht. Der „Face-Ism“ ist demnach auch dabei sehr lebendig. (Journal of Experimental Social Psychology, 3016; doi: 10.1016/j.jesp.2016.06.005)

(Universität Basel, 30.08.2016 – NPO)

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