Neurobiologie

Autistische Mäuse schlauer als Artgenossen

Tiermodell gibt Einblicke in Gehirnaktivität bei genetisch verursachtem Autismus

Mäuse, denen ein am Autismus beteiligtes Gen eingepflanzt wurde, entwickelten sich erwartungsgemäß zu „Sozialmuffeln”, erwiesen sich dafür aber überraschenderweise als deutlich intelligenter und lernfähiger als ihre normalen Artgenossen. Eine jetzt in „Science“ veröffentlichte Studie stellt ein Tiermodell der Erkrankung vor und liefert einige überraschende Einblicke in die Wechselwirkungen der Nervenzellen bei dieser Autismusform.

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Das Spektrum des Autismus erstreckt sich über eine Vielzahl von Variationen und Symptomen, von einer starken geistigen Behinderung bis zu nur leichten Störungen des Sozialverhaltens. In der Regel aber haben Menschen mit Autismus Probleme bei sozialen Interaktionen, wie beispielsweise dem Augenkontakt oder der Interpretation von Mimik und Körperhaltungen anderer Menschen. Einige Autismus-Varianten sind wahrscheinlich genetischen Ursprungs und wurden bereits mit Mutationen in Zusammenhang gebracht, die die Produktion der Neurolignine betreffen. Diese Moleküle spielen eine wichtige Rolle bei der Verbindung von Nervenzellen untereinander.

In der aktuellen Studie haben Neurowissenschaftler der Universität von Texas eine menschliche mutierte Form des Neurolignin-3 Gens in das Genom von Mäusen eingeschleust, um die Auswirkungen solcher Mutationen am Tiermodell untersuchen zu können. Die Mutation bewirkte, dass im Gehirn der Maus nur etwa zehn Prozent der normalen Neurolignin-3 Menge vorhanden war.

In einem Experiment wurde anschließend das Sozialverhalten der gentechnisch veränderten Mäuse getestet, indem die Forscher eine fremde Maus in den Käfig des Versuchstiers setzten und seine Reaktion beobachteten. Es zeigte sich wie erwartet, dass die Mäuse mit dem mutierten Gen weniger Zeit mit dem Neuankömmling verbrachten und unbelebte Gegenstände vorzogen.

Lernfähigkeit verbessert

Interessanterweise jedoch bewirkte die Mutation nicht nur Negatives: In einem Labyrinth lernten die Versuchsmäuse deutlich besser als ihre Artgenossen, eine unter Wasser verborgene Plattform zu finden. Auch das Umlernen, wenn die Position der Plattform nachträglich verändert wurde, fiel ihnen weitaus leichter.

„Wenn man ein Gehirn manipuliert, verbessert man es normalerweise nicht“, erklärt Thomas Südhof vom Southwestern Medical Center der Universität von Texas und Haupt-Autor der Studie. „Die Tatsache, dass wir hier eine Leistungssteigerung erreichen ist sehr gut. Denn sie zeigt, dass wir etwas Spezifisches verändert haben: die Art und Weise, wie das Gehirn Informationen verarbeitet.“ In Bezug auf die Koordination, motorische Fähigkeiten und Ängstlichkeit zeigten die Mäuse durchweg normales Verhalten und belegen damit nach Ansicht des Forschers, dass es sich hier wirklich um ganz spezifische Veränderungen in der Gehirnaktivität handelt.

Gehirnaktivität: mehr Hemmung trotz Mutation

Ein anderer Bereich, den sie untersuchten, waren die Muster der elektrischen Aktivität: Normalerweise regen einige Nervenzellen ihre Nachbarn dazu an, zu feuern, andere dagegen hemmen die Aktivität benachbarter Neuronen. Ein Ungleichgewicht in diesem komplexen Muster wird von vielen Neurowissenschaftlern als ein Kennzeichen des Autismus angesehen. Das Ergebnis dieser Messungen war überraschend: Denn die Gehirne der gentechnisch veränderten Mäuse zeigten eine signifikant stärkere hemmende Aktivität als die ihrer normalen Artgenossen. Vorherige Studien hatten dagegen eher darauf hingedeutet, dass der Autismus einen Verlust der hemmenden Aktivität mit sich bringt.

Nach Ansicht von Südhof könnten diese Ergebnisse ein Hinweis darauf sein, dass eine Beeinflussung der hemmenden Aktivitäten im Gehirn einen viel versprechenden Ansatz für eine Behandlung einiger Autismusformen bieten könnte. Doch der Wissenschaftler warnt auch vor übertriebenen Hoffnungen: „Es ist bisher nur ein Versuch, eine komplexe Krankheit so gut wie möglich zu reproduzieren“, erklärt Südhof. „Jedes Tiermodell kann aber nur eine Annäherung an die menschliche Form darstellen.“

(University of Texas, 10.09.2007 – DLO)

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