Neurobiologie

Babys können früh gezielt handeln

Augenbewegungen erlauben Einblicke in frühkindliche Entwicklung

Säuglinge können viel früher gezielt handeln, als dies die Entwicklungspsychologen bisher dachten: Schon im Alter von sechs Monaten ist das Gehirn von Babys weit genug entwickelt, damit diese durch Blickbewegungen zielgerichtete Handlungen durchführen können. Sie können per Blick gezielt ein Tierbild auf einem Bildschirm aufrufen. Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in der Online-Fachzeitschrift „Public Library of Science One“ (PLoS One) veröffentlicht.

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Bisher registrierten Forscher gezielte Handlungen von Säuglingen durch Bewegungen, etwa durch Zeigen oder durch Drücken eines Schalters. Die Feinmotorik der Arme und Beine entwickelt sich aber erst im Alter von acht bis zehn Monaten soweit, dass die Kinder solche Bewegungen können. Daher waren Untersuchungen in früherem Lebensalter nicht möglich. Die neuen Arbeiten geben nun einen Einblick in die frühkindliche Entwicklung des Gehirns im Alter von nur einem halben Jahr.

Eye-Tracker ermöglicht Blickmessung

Für ihre Studie nutzt das Forscherteam um den Kognitionsforscher Jochen Triesch vom Bernstein Fokus Neurotechnologie (BFNT) Frankfurt, des Frankfurt Institut for Advanced Studies (FIAS) und der Goethe-Universität Frankfurt Geräte zur Messung von Blickbewegungen den Säuglingen. Kinder können ihre Augenbewegungen schon mit etwa vier Monaten präzise kontrollieren. Mit diesen „Eye-Trackern“ konnten die Kinder auch einen Computer steuern. Nach dem gezielten Betrachten eines roten Punktes auf dem Bildschirm wurde ihnen 0,6 Sekunden später ein Ton und ein wechselndes Tierbild präsentiert.

In den Experimenten zeigte sich, dass sechs bis acht Monate alte Säuglinge diese Möglichkeiten auch gezielt nutzen: Sie lernten sehr schnell, mit ihrem Blick auf den roten „Knopf“ das Tierbild abzurufen. Und sie bekamen davon nicht genug: Innerhalb einer Minute holten die sechs Monate alten Säuglinge das Bild mit ihrem Blick rund 15 mal. Schon nach wenigen Durchgängen blickten die Kinder auf die Stelle des Bildschirms, wo das neue Tierbild erscheinen sollte, noch bevor es tatsächlich da war.

Schneller als die Erwachsenen

Selbst auf einem Bildschirm mit zwei identisch aussehenden roten Knöpfen fanden sie schnell heraus, bei welchem das Tierbild erscheint und schauten gezielt dorthin – den Zusammenhang scheinen sie sogar schneller und präziser erfasst zu haben als eine Kontrollgruppe von erwachsenen Versuchspersonen, die den gleichen Test machten. Das belege, dass auch Säuglinge bereits zielgerichtet handeln können, sagen die Forscher.

Das Eye-Tracking ermöglicht den Forschern, zielgerichtete Handlungen von Säuglingen noch vor der Entwicklung von Feinmotorik und Sprache zu untersuchen. „Damit kann die kindliche Entwicklung früher als bisher untersucht werden“, erklärt Triesch und erwartet daraus Perspektiven für weitere Arbeiten zur Gehirnentwicklung: „Unter anderem wollen wir wissen, ob sich diese Methode auch für noch jüngere Säuglinge eignet.“ (PLoS ONE 2012; doi:10.1371/journal.pone.0030884)

(Nationales Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience, 21.02.2012 – NPO)

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