Biologie

Bärtierchen: Auferstehung nach 30 Jahren im Eis

Eingefrorene Tardigraden pflanzen sich sogar wieder erfolgreich fort

Topfit und vermehrungsfähig nach 30 Jahren im Eis: das Bärtierchen © Megumu Tsujimoto

Wieder zum Leben erweckt: Nach drei Jahrzehnten im gefrorenen Zustand haben Forscher zwei Bärtierchen und ein Tardigraden-Ei wieder auferstehen lassen. Das Besondere: Die robusten Tiere haben die lange Zeit im Eis nicht nur überlebt. Sie waren sogar in der Lage, sich hinterher problemlos zu vermehren. Dies sei bisher bei den bekannten Überlebenskünstlern noch nicht beobachtet worden, berichten die Wissenschaftler.

Bärtierchen oder Tardigraden sind wahre Überlebenskünstler. Die höchstens einen Millimeter großen Tiere können vollständige Austrocknung oder Gefrieren überleben – ohne jeglichen Schaden. Sogar die harschen Bedingungen des Weltraums überstehen die Mehrzeller problemlos, wie Experimente in der Erdumlaufbahn gezeigt haben.

Wasserfreie Ruhepause

Ihr Trick dabei: Die Bärtierchen fallen in einen Ruhezustand, in dem ihr Stoffwechsel nahezu stillsteht, wenn es zum Beispiel an Wasser fehlt. Auf diese Weise kann der Körper fast sein gesamtes Wasser verlieren, ohne dass es den Tieren schadet – eine Strategie, die Experten Kryptobiose nennen.

Wissenschaftler um Megumu Tsujimoto vom National Institute of Polar Research in Tokio haben nun untersucht, wie weit diese Widerstandsfähigkeit geht. Sie testeten, ob die robusten Tierchen eine lange Zeit im Frost nicht nur überleben können, sondern danach auch noch in der Lage sind, sich zu vermehren.

Nachwuchs aus dem Eis

Dafür nutzten die Forscher Tardigraden aus einem Stück gefrorenen Moos, das im Jahr 1983 in der Antarktis eingesammelt worden war. Im Mai 2014 fingen sie an, das Moos langsam aufzutauen und weichten es danach 24 Stunden lang in Wasser ein. Aus der Probe entnahmen die Wissenschaftler dann zwei Bärtierchen sowie ein Ei und setzten sie auf ein Nährmedium mit Algen als Nahrung.

Nun hieß es warten. Wie die Forscher berichten, erholten sich die Bärtierchen nur sehr langsam. Es dauerte zwei Wochen, bis eins der Tiere zu krabbeln und zu fressen begann. Nach 19 Tagen legte es aber sogar sein erstes Ei. 18 weitere folgten, aus 14 schlüpfte schließlich gesunder Tardigraden-Nachwuchs. Auch aus dem eingefrorenen Ei schlüpfte ein Bärtierchen, das sich völlig normal entwickelte und sich ebenfalls erfolgreich vermehrte.

Nicht so gut lief es für das zweite Bärtierchen. Dies fing zwar zunächst auch an, sich zu bewegen. Es starb jedoch nach 20 Tagen. Offensichtlich sind die 30 Jahre im Frost nicht ganz spurlos an den Tardigraden vorbeigegangen. Insbesondere die lange Erholungszeit und die Zeit bis zum ersten Ei machen das den Forschern zufolge deutlich.

Reparaturmechanismen unter der Lupe

Dennoch offenbart ihr Experiment die außergewöhnliche Robustheit der Tiere – zumal aus dem gefrorenen Ei aus der Moosprobe ein Bärtierchen schlüpfte, das keinen sichtbaren Schaden genommen hatte. Diese erfolgreiche Vermehrung sei ein Novum: „Bisher galt das Augenmerk meist nur dem Überleben der Tardigraden. Wir zeigen nun, dass sie sogar ihre Reproduktionsfähigkeit nach einer langen Zeit der Kryptobiose behalten können“, schreiben die Wissenschaftler.

Als nächste Herausforderung wollen sie versuchen, den Mechanismus hinter der Überlebensstrategie der Bärtierchen zu entschlüsseln – und dafür insbesondere die DNA der Tiere unter die Lupe nehmen sowie ihre Fähigkeit, diese zu reparieren. Solche Erkenntnisse könnten auch für die Medizin von großer Bedeutung sein. (Cryobiology, 2016; doi: 10.1016/j.cryobiol.2015.12.003)

(Cryobiology, 17.02.2016 – DAL)

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