Warum rostet Eisen unter Wasser schneller als es aus chemischer Sicht dürfte? Die Erklärung für dieses Phänomen haben jetzt Forscher des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie gefunden: Sie identifizierten Bakterien, die die Korrosion durch Elektronenentzug aktiv beschleunigen.
Eisen ist das technologisch wichtigste Metall, hat aber einen Nachteil: Ungeschütztes Eisen rostet. Hauptschuld daran trägt der Sauerstoff der Luft, der Eisen in nasser Umgebung angreift. In vollständig wassergefüllten Rohrleitungen und Behältern, wo nur Wasser aber keine Luft vorhanden ist, wäre Eisen im Prinzip recht lange beständig. Doch statt von Sauerstoff wird das Eisen unter diesen Verhältnissen oft von Bakterien angegriffen, die speziell an ein Leben ohne Sauerstoff angepaßt sind. Diese anaerobe Biokorrosion ist seit Jahrzehnten bekannt, aber insbesondere in der Erdölindustrie höchst unerwünscht.
Suche nach den Übeltätern
Weniger bekannt war, welche Bakterienarten die Hauptübeltäter sind und welcher Mechanismus dabei abläuft. Jetzt wurden neuartige Bakterien entdeckt, die Eisen deutlich schneller als bisher bekannte Arten korrodieren, aber dennoch bislang offensichtlich übersehen worden sind. Experimente sprechen dafür, dass diese Bakterien auf eine noch ungeklärte Weise, aber auf jeden Fall im engen Kontakt mit dem Eisen diesem Elektronen entziehen, und Elektronenentzug aus einem Metall heißt, dass dieses korrodiert.
Das Ausgangsexperiment für das Aufspüren dieser Bakterien war recht einfach: Zunächst wurden kleine Eisenstücke in Meeresschlamm in sauerstofffreien Flaschen gesteckt. Nach mehreren Wochen wurden die Bakterien, die auf dem allmählich dahinschwindenden Metall wuchsen, analysiert.
Lochfraß in Pipelines
Unter Ausschluss von Sauerstoff ist Eisen nicht beliebig beständig, sondern wird von Wasser allein angegriffen; dabei entstehen flockige Formen des zweiwertig positiven Eisens und Wasserstoffgas. Zum Glück ist diese Korrosion im Vergleich zum Rosten an der Luft sehr langsam. Doch die sonst erstaunlich lange Haltbarkeit von Eisen in luftfreiem Wasser kann durch bestimmte Bakterien dramatisch verkürzt werden. Dieser komplexe elektrochemische Prozess macht sich nicht so sehr als flächige Korrosion sondern eher als Lochfraß bemerkbar, und kann beispielsweise in Pipelines kostspielige Schäden verursachen.
Hauptverursacher sind sogenannte sulfatreduzierende Bakterien. Der Korrosion leisten sie auf zwei unterschiedlichen Wegen Vorschub: Diese Bakterien leben davon, dass sie das harmlose, in natürlichen Wässern häufige Sulfat zu Schwefelwasserstoff reduzieren. Als Reduktionsmittel für diese Umwandlung dienen ihnen dabei Produkte aus natürlichen Verwesungsprozessen, die dabei zu Kohlendioxid oxidiert werden. Der Schwefelwasserstoff greift dann das Eisen an, wobei sich pechschwarze Reaktionsprodukte bilden.
Eisen auf Elektronenentzug
Für den anderen, weniger gut erforschten Korrosionsmechanismus verwenden die sulfatreduzierenden Bakterien Wasserstoffgas, um das Sulfat zu reduzieren. Lange wurde ngenommen, dass dessen Verbrauch die Auflösung des Metalls im Wasser beschleunigt. Am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, Bremen, wurden in Zusammenarbeit mit dem Materialprüfungsamt in Bremen und dem Max-Planck-Institut für Eisenforschung, Düsseldorf, jedoch Bakterien entdeckt, welche Eisen deutlich schneller korrodieren, als es durch Verbrauch von Wasserstoffgas jemals möglich wäre.
Alles spricht dafür, dass sie im engen Kontakt mit dem Eisen diesem direkt Elektronen entziehen und so gewissermaßen den Umweg über „kathodischen Wasserstoff“ umgehen. Und Elektronenentzug aus Eisen bedeutet Korrosion. Wie ein Elektronenfluß über die winzig kurze, aber dennoch über eine „Stomleitung“ zu überbrückende Strecke zwischen Eisen und Bakterienzellen zustande kommt, ist noch unbekannt. Die Forscher nehmen jedoch an, dass die neu entdeckten Bakterien eine wichtige, aber bisher übersehene Rolle bei der biologischen Eisenzerstörung spielen.
(MPI für marine Mikrobiologie, 02.03.2004 – NPO)