Winzig, aber bedeutsam: In einem Bernsteinklumpen aus der Kreidezeit haben Paläontologen das älteste Fossil einer echten Krabbe entdeckt. Das wenige Millimeter kleine Krebstier ist 100 Millionen Jahre alt und erstaunlich gut konserviert – selbst seine Kiemen sind erkennbar. Der Fund im Bernstein deutet darauf hin, dass die kleine Krabbe nicht im Meer lebte, sondern möglicherweise halbaquatisch im Süßwassertümpeln. Sie ist damit ein wichtiges Bindeglied in der Evolution der Landkrabben, wie die Forscher berichten.
Ob Urzeit-Blüten, Insekten, Spermien oder sogar Mini-Dinosaurier: Im Bernstein sind urzeitliche Lebewesen über Jahrmillionen nahezu perfekt erhalten geblieben. Das um sie herum erhärtete Baumharz hat selbst fragile Strukturen und Weichteile vor der Verwesung bewahrt. Selbst die DNA urzeitlicher Organismen könnte längere Zeit im Bernstein konserviert bleiben. Aber auch ohne das Erbgut liefern Bernsteinfossilien wertvolle Aufschlüsse über die Evolution gerade kleinerer, wirbelloser Tiergruppen, von denen es nur wenige Versteinerungen gibt.
Eine Krabbe aus der Zeit der Dinosaurier
Dies gilt auch für den Fund, den Forscher um Javier Luque von der Yale University in einem Bernsteinklumpen aus Myanmar gemacht haben. In dem 100 Millionen Jahre alten Stück Bernstein war eine winzige Krabbe eingeschlossen. „Das Exemplar ist spektakulär und einzigartig“, sagt Luque. „Es ist absolut vollständig und nicht ein einziges Haar auf seinem Körper fehlt. Das ist wirklich bemerkenswert.“
Mittels Mikro-Computertomografie konnten die Paläontologen mehr über die Anatomie und phylogenetische Zugehörigkeit der wenige Millimeter großen Krabbe herausfinden: Anders als andere aus der Kreidezeit bekannte Krebstiere ähnelte das Cretapsara athanata getaufte Fossil schon auffallend den heutigen Strandkrabben. Es wies bereits alle Merkmale einer höherentwickelten echten Krabbe auf. Wegen seiner geringen Größe sind die Forscher allerdings nicht sicher, ob es sich um eine sehr kleine Art oder um ein Jungtier handelte.
„Damit ist dies der älteste Fund einer echten Krabbe in Bernstein und einer der ältesten bekannten Vertreter der höherentwickelten Eubrachyura“, konstatieren Luque und seine Kollegen. Das kleine Krebstier krabbelte schon in der Ära der Dinosaurier umher.
Nicht im Meer, sondern in Tümpeln an Land
Noch spannender aber ist die Tatsache, dass diese kleine Krabbe damals von Baumharz eingeschlossen wurde. Denn dies legt nahe, dass dieses Krebstier nicht im Meer lebte, sondern in der Nähe von Bäumen. Gleichzeitig belegen die Micro-T-Aufnahmen, dass die Krabbe gut entwickelte Kiemen und keine Lunge besaß – sie war demnach noch ans Leben im Wasser angepasst. „Es handelt sich demnach offenbar um ein Tier, das nicht marin ist, aber auch noch nicht völlig terrestrisch“, sagt Luque.
Die Paläontologen vermuten, dass Cretapsara athanata in flachem Brack- oder Süßwasser lebte und vielleicht sogar schon zeitweise an Land umherlief. „Sie könnte halbaquatisch in flachen Tümpeln am Waldboden gelebt haben“, schreiben sie. Das aber wirft ein ganz neues Licht auf die Evolution der ersten im Süßwasser oder an Land lebenden Krabben. „Die ältesten fossilen Belege für solche nichtmarinen Krabben sind 50 Millionen Jahre alt. Dieses Tier aber ist doppelt so alt“, sagt Luque.
Fund schließt Lücke im Krabbenstammbaum
Damit schließt der kleine Bernstein-Krebs eine entscheidende Lücke im Stammbaum der echten Krabben. Denn Genvergleiche und molekulare Datierungen legen nahe, dass die ersten Krabben schon vor 130 Millionen Jahren das Meer verließen und sich an eine Lebensweise im Süßwasser und an Land anpassten. Doch in den Fossilfunden fehlte von diesen frühen Landbesiedlern bisher jede Spur.
Die Entdeckung von Cretapsara athanata im Bernstein belegt nun erstmals auch anhand eines Fossils, dass weit entwickelte Krabben schon in der frühen Kreidezeit in nichtmarinen Lebensräumen etabliert waren. Die Bernstein-Krabbe schließt damit die bisherige Lücke zwischen den molekularen und den fossilen Daten. Denn der Fund belegt, dass die ersten Krabben schon zur Zeit der Dinosaurier in terrestrischen oder semiterrestrischen Habitaten vorkamen, wie die Paläontologen erklären. (Science Advances, 2021; doi: 10.1126/sciadv.abj5689)
Quelle: Harvard University, American Association for the Advancement of Science