Biologie

Bestäubung: In der Stadt klappt’s besser

Blütenpflanzen werden in urbanen Zentren häufiger von Bestäubern besucht als auf dem Land

Hummel
Hummeln sind häufige Bestäuber in der Stadt. © UFZ

Überraschende Erkenntnis: Blütenpflanzen werden in der Stadt offenbar besser bestäubt als auf dem Land. Der Grund dafür scheint die höhere Zahl und Vielfalt von Bienen zu sein, wie eine Studie nahelegt. Diese Insekten fühlen sich in urbanen Zentren demnach besonders wohl und tragen erheblich zur Bestäubungsleistung bei. Vermutlich bietet die Stadt ihnen bessere Nistmöglichkeiten und weniger Pestizidbelastung, berichten die Forscher.

Städte dehnen sich weltweit aus: Schon seit Jahrzehnten nehmen die urbanen Zentren auf unserem Planeten immer größere Dimensionen ein, es entstehen mitunter wahre Megacities. Diese Ausdehnung der Städte beeinflusst auch die Insektenwelt. Vielfalt und Anzahl dieser Tiere gehen im Umfeld von Ballungszentren oft zurück.

Einzelne Spezies können von der Verstädterung aber durchaus profitieren. So ist beispielsweise bekannt, dass Bienen auch in der Stadt ausreichend Blüten und oft sogar eine größere Vielfalt an Futterquellen finden als in landwirtschaftlich geprägten Gebieten. Doch welchen Einfluss hat das städtische Umfeld auf die ökologische Leistung von Insekten – zum Beispiel die Bestäubung?

Rotklee als Testpflanze

Um diese Frage zu klären, haben Panagiotis Theodorou vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung und seine Kollegen nun ein Experiment durchgeführt. Die Forscher verglichen dabei blütenreiche Flächen in Innenstadtlage wie Parks und botanische Gärten mit solchen im direkten Umland neun deutscher Großstädte – darunter Berlin, Dresden und Göttingen.

Als Referenz für die Bestäubungsleistung dienten an allen Orten Rotklee-Topfpflanzen. Die Wissenschaftler dokumentierten jeweils 20 Mal am Tag für 15 Minuten, wie viele Insekten die Blüten dieser Pflanzen besuchten. Außerdem erfassten sie die Artenvielfalt in der Umgebung mit Insektenfallen. Später zählten sie bei den Rotkleepflanzen die produzierten Samen und bestimmten damit den Bestäubungserfolg.

Fleißige Bienen

Das überraschende Ergebnis: Die Blütenpflanzen wurden in den Innenstädten häufiger von Insekten besucht und erfolgreicher bestäubt als im Umland. Zwar stellten Theodorou und sein Team auf dem Land eine insgesamt höhere Artenvielfalt und Biomasse von Fluginsekten fest, insbesondere von Fliegen und Schmetterlingen. Letztere trugen jedoch nur wenig zur Bestäubung des Rotklees bei, wie sie berichten.

Zu den besonders fleißigen Bestäubern gehörten dagegen Bienen wie Hummeln und Honigbienen. Von ihnen kamen in der Stadt deutlich mehr Arten vor als auf dem Land und sie besuchten die Blüten deutlich häufiger als andere Insekten. Kurzum: Die Bienen waren der Grund, warum die Bestäubung in den urbanen Zentren besser klappte.

Lebensraum Stadt
Bei der Planung von Gärten und Parks sollten die Bedürfnisse von Bienen als Hauptbestäuber berücksichtigt werden. © Stefan Bernhardt

Attraktive Bedingungen

Doch warum fühlen sich viele Bienen offenbar in der Stadt wohler als im Umland? Die Forscher erklären sich die große Vielfalt und Anzahl dieser Insekten mit einer höheren Zahl geeigneter Lebensräume. So finden Bienen gute Nistmöglichkeiten in freiliegenden Böden, Totholz und Mauerhohlräumen und dauerhaft Nahrung durch die große Vielfalt an Blütenpflanzen in Parks und Gärten.

Vermutlich kommen Bienen aber auch mit den gesamten Lebensbedingungen dort besser zurecht als andere Insektengruppen, wie das Team vermutet. „Städte verändern ständig ihr Bild. Sich darin zu orientieren, ist eine Herausforderung, der besonders Bienen mit ihren ausgeprägten Fähigkeiten zur Orientierung und zum Lernen gewachsen sind“, erklärt Studienleiter Robert Paxton von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. „Fliegen und Schmetterlinge haben es hier offenbar schwerer.“

Stadt und Land verbinden

Hinzu kommt, dass die in der Landwirtschaft eingesetzten Pestizide insbesondere Bienen das Leben schwer machen: „Aus anderen Studien ist bekannt, dass gerade Wildbienen und Hummeln besonders anfällig für Pestizide sind. Das könnte auch erklären, weshalb ihre Vielfalt auf dem Land geringer ausfällt“, sagt Paxton. Mit drastischen Folgen: „Ich war wirklich erschüttert, wie durchgehend schlecht die Bestäubungsleistung im Agrarland war“, berichtet der Wissenschaftler.

Nach Ansicht der Forscher ist es daher nicht nur wichtig, die Städte noch attraktiver für Bestäuber zu machen und die Bedürfnisse der fleißigen Insekten dort bei der Grünflächenplanung zu berücksichtigen. Zugleich müssten auch auf dem Land mehr blütenreiche Flächen und Nistmöglichkeiten geschaffen und mit den Lebensräumen in den Städten verbunden werden – etwa um die Bestäubung in kommerziellen Obstgärten zu fördern, so das Fazit des Teams.

Wichtig für uns alle

Die Bestäubungsleistung von Bienen und Co ist für die Ökosysteme und uns Menschen enorm wichtig: Schätzungen zufolge sind 90 Prozent aller Blütenpflanzenarten auf die Bestäubung durch Tiere angewiesen. Damit hängt auch unsere Ernährung entscheidend von Bestäubung ab. Ihr Wert für die globale Landwirtschaft lag 2015 zwischen 235 bis 557 Milliarden US-Dollar – das entspricht in etwa einem Zehntel des Marktwerts aller angebauten Nahrungspflanzen. (Nature Communications, 2020; doi: 10.1038/s41467-020-14496-6)

Quelle: Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig

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