Erstaunliche Transferleistung: Ein Experiment enthüllt erneut, dass Honigbienen über erstaunliche „mathematische“ Fähigkeiten verfügen. Denn sie können lernen, abstrakte Symbole mit bestimmten Zahlenmengen zu verknüpfen – eine für die Mathematik wichtige Fähigkeit. Nach kurzem Training merken sich die Insekten, welches Symbol für welche Objektmenge steht und umgekehrt. Sie sind die ersten Insekten, für die diese mentale Leistung nachgewiesen wurde, wie die Forscher berichten.
Im Vergleich zu uns Menschen ist das Gehirn einer Biene winzig: Es enthält gerade einmal 100 Millionen Gehirnzellen gegenüber unseren 86 Milliarden Neuronen. Dennoch sind diese Insekten zu erstaunlich komplexen geistigen Leistungen fähig – und sogar zu rudimentärer Mathematik: Sie können Mengen abschätzen, verstehen das Konzept der Null als leerer Menge und können sogar einfache Rechenaufgaben lösen.
Symbol statt Menge
Doch wie weit gehen die „mathematischen“ Fähigkeiten der Bienen noch? Um das herauszufinden, haben nun Scarlett Howard von der RMIT University in Melbourne und ihr Team die Bienen vor eine weitere Probe gestellt. Sie wollten wissen: Können diese Insekten lernen, abstrakte Symbole mit bestimmten Zahlenmengen zu verknüpfen?
Wir Menschen nutzen diese symbolische Zahlenrepräsentation im Alltag ständig – beispielweise in Form der arabischen Ziffern für die Zahlenwerte – sie bildet die Grundlage der Mathematik. „Nachdem wir einmal als Kind die Zahlen gelernt haben, sehen wir dies als selbstverständlich an“, erklärt Howards Kollege Adrian Dyer. „Aber die Fähigkeit zu erkennen, wofür eine ‚4‘ wirklich steht, erfordert ein fortgeschrittenes Niveau der kognitiven Fähigkeiten.“
Lange hielt man diese Transferleistung deshalb für eine rein menschliche Domäne. Doch inzwischen zeigen Studien, dass auch Schimpansen, Rhesusaffen, Tauben und Papageien lernen können, abstrakte Symbole mit bestimmten Mengen zu verknüpfen. Wie aber sieht es mit den Bienen aus?
Test im Y-Labyrinth
Als Testarena für ihre 20 Honigbienen nutzten die Forscher ein Y-Labyrinth. Am Eingang sahen die Tiere eines von zwei abstrakten Symbolen – ein umgekehrtes „T“ oder ein liegendes „Z“. Flog die Biene dann in die Entscheidungskammer, konnte sie entweder einen Futterspender mit zwei oder mit drei Quadraten ansteuern. Nur einer davon enthielt jedoch den begehrten Zuckersaft.
Dadurch lernten die Bienen, jedes Symbol einer bestimmten Objektmenge zuzuordnen. Eine zweite Bienengruppe absolvierte das umgekehrte Training: Sie sahen zuerst die Menge und sollten dann das passende abstrakte Symbol anfliegen. Dann folgte für beide Gruppen der eigentliche Test, bei dem die Quadrate durch Kreise ersetzt oder anders angeordnet waren. „Die Bienen mussten dadurch die Zuordnungsaufgabe auf neue Stimuli transferieren“, erklären Howard und ihre Kollegen.
Verknüpfung gelernt
Das Ergebnis: Die Honigbienen bewältigten die anspruchsvolle Aufgabe. In 62 bis 65 Prozent der Versuchsdurchgänge ordneten sie die Symbole und Mengen korrekt zu, wie die Forscher berichten. Das sei signifikant besser als reiner Zufall. „Dieses Ergebnis demonstriert, dass Bienen die Verknüpfung zwischen einem Symbol und einem Zahlenwert lernen können“, konstatieren Howard und ihr Team.
Nach Ansicht der Forscher ist damit klar, dass Bienen durchaus die Fähigkeit besitzen, symbolische Repräsentationen von Zahlen zu lernen – trotz ihres kleinen Gehirns. Das eröffnet wertvolle Einblicke in die numerischen Fähigkeiten der Insekten und ihre Lernfähigkeit. „Herauszufinden, wie solche komplexen Leistungen von einem Miniaturgehirn bewältigt werden, wird uns dabei helfen zu verstehen, wie sich das mathematische und kulturelle Denken bei Menschen und wahrscheinlich auch anderen Tieren entwickelt hat“, konstatiert Dyer.
Für die Umkehrung reicht es nicht
Allerdings demonstrierten die Honigbienen auch eine erhebliche Einschränkung ihrer Fähigkeiten: Die Zuordnung von Symbol und Mengen funktioniert bei ihnen offenbar nur in einer Richtung – in der jeweils zuvor gelernten. Selbstständig den Umkehrschluss zu ziehen, schafften die Insekten dagegen nicht. Die Bienen, die erst das Symbol gesehen und dann die Objektmengen zugeordnet hatten, konnten später nicht von der Objektmenge auf das passende Symbol schließen.
„Die spontane Umkehrung dieser Assoziation scheint demnach jenseits der Kapazität eines Insektengehirns zu liegen“, schlussfolgern die Wissenschaftler. Sie vermuten, dass das kleine Bienengehirn nur einen Teil des dafür nötigen mehrschrittigen Verarbeitungsprozesses leisten kann. „Das Niveau von Tieren wie Tauben, Schimpansen, Rhesusaffen oder Graupapageien erreichen die Bienen demnach nicht“, so Howard und ihre Kollegen. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2019; doi: 10.1098/rspb.2019.0238)
Quelle: RMIT University