Biotechnologie

Bioplastik aus Cyanobakterien

Manipulierte Blaualgen können große Mengen Bio-Polyester herstellen

Cyanobakterien
Cyanobakterien in Kultur: Einige von ihnen produzieren ein Polyester, aus dem Bio-Kunststoff gemacht werden könnte. © Karl Forchhammer / Universität Tübingen

Mikrobielle Bioplastik-Fabriken: Als Nebenprodukt ihrer Photosynthese können Cyanobakterien ein natürliches Polyester herstellen – bisher tun sie dies aber wenig effizient. Jetzt ist es Forschern gelungen, eine metabolische „Bremse“ bei den Algen zu finden und zu lösen. Die solcherart manipulierten Cyanobakterien produzieren nun industriell nutzbare Mengen des Polyhydroxybutyrats, könnten aber auch andere Grundstoffe erzeugen.

Forscher suchen seit langem nach Lösungen für unser Plastikproblem, denn laut Prognosen steigt die weltweite Plastikproduktion im nächsten Jahrzehnt um weitere 40 Prozent an. Neben besseren Recyclingmethoden wird auch nach umweltfreundlicheren Kunststoffen gesucht, die zum Beispiel aus Bioabfall, Mais oder Zuckerrohr entstehen. Doch immer wieder weisen Studien nach, dass manche Bio-Kunststoffe weder klimafreundlich, noch biologisch abbaubar sind und sogar giftig sein können.

Cyanobakterien als Polyester-Produzenten

Eine Lösung könnten aber Cyanobakterien der Gattung Synechocystis liefern, die für ihre Photosynthese lediglich Wasser, Kohlendioxid und Sonnenlicht benötigen und dabei als Nebenprodukt Polyhydroxybutyrat (PHB) herstellen. Dabei handelt es sich um ein Polyester, das von einigen Mikroorganismen natürlicherweise als Speicherstoff produziert wird. Es ist zwar spröder als herkömmliche Kunststoffe, kann aber durch Anlagerung weiterer Polymere als Bio-Plastik eingesetzt werden.

Der Vorteil: Kunststoff aus PHB ist in der Umwelt schneller sowie schadstofffrei abbaubar. Allerdings ist die von Bakterien produzierte Menge dieses Polyesters normalerweise sehr gering. Wie man die Cyanobakterien so manipulieren kann, dass sie auch große Mengen des Naturstoffs produzieren, haben Forscher um Moritz Koch von der Universität Tübingen erforscht. Sie gehen davon aus, dass Blaualgen ein enormes Potenzial als Kunststoffproduzenten haben können. „Cyanobakterien sind gewissermaßen die Hidden Champions unseres Planeten“, betont Koch.

„Bremse“ identifiziert und gelockert

In ihren Tests identifizierten die Wissenschaftler in den Bakterien zunächst ein Protein, das als „Bremse“ wirkt und die zelluläre Produktion von Polyhydroxybutyrat auf eine bestimmte Menge limitiert. Dieses PirC genannte Regulatorprotein sorgt dafür, dass der in der Zelle anfallende Kohlenstoff stattdessen für die Glykolyse eingesetzt wird. Würde man diese „Bremse“ aber lösen, könnte die Produktion des mikrobiellen PHB deutlich gesteigert werden. „Die Aufhebung dieser Funktion ermöglicht die Umlenkung des Kohlenstoffflusses“, erklären die Forscher.

Um das zu erreichen, hemmten die Forscher zunächst die Aktivität des PirC-Proteins, indem sie ihm ein Überangebot der Glykolyseprodukte vorgaukelten. Zusätzlich schalteten sie im Erbgut der Cyanobakterien zwei am Polyhydroxybutyrat-Stoffwechsel beteiligte Gene aus. Den so veränderten Bakterienstamm ließ das Team unter verschiedenen Kultur- und Lichtbedingungen wachsen und beobachten die PHB-Produktion.

HB-Produktion
Die großen weißen Körner sind mit Polyhydroxybutyrat gefüllt und belegen, dass die veränderten Cyanobaktieren mehr davon erzeugen. © Moritz Koch/ Universität Tübingen

Bis zu 80 Prozent Polyester in einer Zelle

Tatsächlich stieg die von den Bakterien produzierte Polyhydroxybutyrat-Menge deutlich an. „Wenn die Zellen in einem stickstoff- und phosphorarmen Medium wuchsen, produzierten sie bis zu 63 Prozent PHB pro Zelltrockengewicht. Nach Zugabe von Acetat wurde der Gehalt weiter auf 81 Prozent pro Zelltrockengewicht gesteigert“, so die Forscher weiter. „Das ist der mit Abstand höchste PHB-Wert, der je bei einem Cyanobakterium beobachtet wurde.“

Unter dem Elektronenmikroskop war die Überproduktion des natürlichen Polyesters deutlich an der Ansammlung der PHB-Körnchen im Inneren der Bakterienzellen zu erkennen. Sie nahmen bei den manipulierten Cyanobakterien einen Großteil der Zelle ein. „Wir haben regelrechte Plastikbakterien erschaffen“, fasste Koch zusammen.

Bioproduktion auch anderer Grundstoffe denkbar

„Die industrielle Relevanz dieser Form von Bioplastik kann kaum überschätzt werden“, erklärt Kochs Kollege Karl Forchhammer. Langfristig will das Forscherteam nun den Einsatz der Bakterien so optimieren, dass ein großtechnischer Einsatz möglich wird. „Einmal in der Industrie etabliert könnte die gesamte Kunststoffproduktion revolutioniert werden“, spekuliert Koch.

Aber nicht nur das Polyester PHB könnte durch solche Mikroorganismen erzeugt werden – auch andere Plastikvorstufen und Rohstoffe für die chemische Industrie ließen sich mit den mikrobiologischen Helfern erzeugen: „Es ist plausibel anzunehmen, dass die Blockade der PirC-Regulation bei Cyanobakterien auch für die Bioproduktion anderer Metabolite eingesetzt werden kann, wie beispielsweise von Succinat, Malat, von Lipiden oder Fettsäuren“, erklären die Forscher.
(Proceedings of the National Academy of Sciences, 2021, doi: 10.1073/pnas.2019988118)

Quelle: Eberhard Karls Universität Tübingen

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