Putzkolonne für den Boden: Die Wurzeln mancher Bäume können Mikroplastik aus dem Boden aufnehmen, wie Forschende herausgefunden haben. Sie wiesen solche Kunststoffpartikel in knapp 20 Prozent der Wurzeln von Hängebirken nach. Die winzigen Plastikteilchen drangen dabei bis tief in die Wurzelstrukturen vor. Wie genau die Baumwurzeln diese Partikel aufnehmen, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Funde machen aber Hoffnung auf eine Möglichkeit zur natürlichen Reinigung belasteter Böden.
Weltweit werden jährlich mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik produziert. Ein Großteil dieser Plastikteile zerfällt in Partikel kleiner als fünf Millimeter, also in Mikroplastik, und weiter in Nanopartikel mit einer Größe von weniger als 0,1 Mikrometer. Die mikroskopischen Partikel finden ihren Weg in Böden und Binnengewässer. Wissenschaftler haben sie sogar schon in den Tiefen des Marianengrabens und auf der Spitze des Mount Everest nachgewiesen.
Obwohl vor allem die Verschmutzung der Ozeane durch Plastik für Aufsehen und Diskussionen sorgt, schätzen Wissenschaftler die Belastung der Böden mit Mikroplastik als sogar noch höher ein: Sie wird je nach Umgebung auf das vier- bis 23-Fache geschätzt.
Birke schon zuvor als „Bodenreiniger“ bekannt
Welche Folgen das Mikroplastik im Boden für Pflanzen und insbesondere die Bäume hat, haben nun Kat Austen vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin und ihre Kollegen genauer am Beispiel der Hängebirke (Betula pendula) untersucht. Von diesen vor allem in nördlicheren Breiten vorkommenden Birken weiß man, dass sie beispielsweise Schwermetalle über ihre Wurzeln aufnehmen. Die in den Wurzeln siedelnden Mikroben bauen diese Schadstoffe dann ab.
Doch es gibt einen weiteren Grund für die Wahl der Birkenspezies zum Forschungsobjekt: „Diese Baumart wurzelt flach unterhalb der Bodenoberfläche, wo die Mikroplastikverschmutzung nachweislich am höchsten ist“, erklären Austen und ihr Team. Für ihre Untersuchung markierten die Forschenden Mikroplastik-Kügelchen verschiedener Größen von fünf bis 50 Mikrometern mit fluoreszierendem Farbstoff und gaben sie in die Erde von zwei eingetopften Hängebirken.
Für die Konzentration der Plastikteilchen in der Erde orientierten sich die Forschenden dabei an typischen in der Umwelt vorkommenden Belastungen. Nach fünf Monaten untersuchten sie die Wurzeln mit Fluoreszenzmikroskopie und waren so in der Lage, den Weg des Mikroplastik in die Baumwurzeln visuell nachzuvollziehen.
Birke nimmt Mikroplastik auf
Die Ergebnisse zeigen, dass die winzigen Plastikteilchen aus der Erde tatsächlich in das Wurzelsystem der Birken eindringen können. Dabei gliederten die Birken die Partikel sogar tief in die Wurzelzellstrukturen ein: „Wir konnten fluoreszierendes Mikroplastik in der Wurzelexodermis, der Wurzelrinde und im Gefäßgewebe finden“, berichten Austen und ihre Kollegen. In sechs von insgesamt 64 untersuchten Wurzelabschnitten fanden die Forschenden ein bis vier Plastikpartikel.
„Damit lag der prozentuale Anteil von Baumwurzelabschnitten, in denen Mikroplastik beobachtet wurde, bei fünf bis 17 Prozent“, halten Austen und ihr Team fest.
Damit scheint klar, dass Hängebirken nicht nur Schwermetalle und andere Schadstoffe aufnehmen und aus dem Boden ziehen, sondern auch Mikroplastik. „Diese Studie repräsentiert damit das erste dokumentierte Indiz dafür, dass auch Bäume Mikroplastik in ihren Wurzelgeweben anreichern können“, schreibt das Forschungsteam.
Durch die Wurzelwand migriert
Aber wie gelangt das Mikroplastik in die Wurzeln der Bäume? Diese Frage ist laut den Forschenden immer noch offen. Doch vorangegangene Studien haben sich bei anderen Pflanzenarten mit dieser Thematik genauer beschäftigt. Beispielsweise bei Weizen und Salat gelangen die winzigen Plastikteile demnach durch Risse in der Wurzelwand ins Innere und migrieren dann durch den Flüssigkeitsdruck, der in den Wurzeln herrscht, in weitere Wurzelzellen.
Dies könnte auch bei den Hängebirken der Mechanismus für die Einbindung der Partikel in das Wurzelsystem sein, wie das Team um Austen berichtet. „Die Rate der Aufnahme von Partikeln im Submikrometer-Bereich könnte signifikant höher liegen“, sagen Austen und ihre Kollegen. Denn falls sich die Hypothese der Forschenden zur Partikelaufnahme bestätigt, wäre die Eingliederung in das Wurzelsystem durch die Größe der Partikel limitiert.
Hängebirke im Kampf gegen Plastik-Verschmutzung
Nach Ansicht der Forschenden werfen ihre Ergebnisse einige spannende Fragen auf, die in Zukunft geklärt werden sollen. In jedem Fall sehen sie einen möglichen Nutzen der Birke für die Zukunft: „Die Aufnahmerate von Mikroplastik und die Auswirkungen auf die kurz- und langfristige Gesundheit der Bäume müssen noch untersucht werden“, sagt Austen. „Aber diese Pilotstudie deutet darauf hin, dass die Birke ein echtes Potenzial für langfristige Lösungen zur Bodensanierung hat – einschließlich der Verringerung der Menge an Mikroplastik im Boden und möglicherweise im Wasser“. (Science of The Total Environment, 2022; doi: 10.1016/j.scitotenv.2021.152085)
Quelle: Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)