Auch Blauwale bevorzugen in ihrem Verhalten eine Seite: Sie sind gewissermaßen „rechtshändig“. Daten von aufgeklebten Sensoren belegen, dass sich die gigantischen Meeressäuger beim Fangen ihrer Beute zu 90 Prozent rechtsherum drehen. Dies ist der erste Beleg für eine Händigkeit auch bei den Blauwalen. Überraschend jedoch: In ganz bestimmten Situationen kehrt sich diese Präferenz der Tiere um.
Mit Längen bis zu 30 Metern sind Blauwale die größten Tiere der Erde. Dennoch ernähren sie sich vorwiegend von winzigen Krebschen, dem Krill. Um sie zu fangen, vollführen sie teilweise erstaunlich akrobatische Manöver: Sie tauchen unter einem Krillschwarm ab und schießen dann mit weit aufgerissenem Maul senkrecht in die Höhe. Dabei drehen sich die Wale zusätzlich um die eigenen Achse – bis zu 360 Grad weit.
Der dehnbare Kehlsack der Meeressäuger kann bei einem solchen Beutefang enorme Wassermengen mitsamt der enthaltenen Krebsbeute aufnehmen. Durch die filterartigen Barten strömt das Wasser dann wieder aus, der Krill jedoch wird zurückgehalten und gefressen. „Diese Technik ist sehr effizient, weil die Wale damit viel Beute auf einmal fangen“, erklärt Ari Friedlaender von der Oregon State University in Newport.
Händigkeit auch bei Blauwalen?
Der Wissenschaftler und seine Kollegen wollten wissen, ob die Blauwale bei diesen Beutefang-Rollen eine Vorliebe für eine bestimmte Seite zeigen. Denn eine solche Händigkeit ist bei den meisten Säugetieren verbreitet und viele Vögel zeigen beispielsweise eine Präferenz für Gucken mit dem rechten Auge.
Für ihre Untersuchung befestigten Friedlaender und sein Team Bewegungssensoren an 63 vor der Küste Kaliforniens lebenden Blauwalen. Über deren Daten erfassten sie die Richtung von mehr als 2.800 Beutefang-Rollen dieser gigantischen Meeressäuger und auch, in welcher Tiefe diese stattfanden.
Vorliebe für Rechtsdrehung
Es zeigte sich: Auch Blauwale bevorzugen eine bestimmte Seite: „Von den einseitigen Bewegungen umfassten rund 90 Prozent eine Rolle um rund 90 Grad – dies ist das gängigste Beutefangverhalten dieser Wale“, erklärt Friedlaender. Und diese Drehung führten die meisten Wale ausschließlich nach rechts aus, wie die Sensordaten verrieten.
Nach Ansicht der Forscher lässt sich dies durch die Arbeitsteilung der Gehirnhälften bei Säugetieren erklären: Häufig ist die linke Hirnhälfte stärker an der Steuerung und Planung bewusster Bewegungen und der Koordination beteiligt als die rechte. Gleichzeitig kontrolliert diese Hirnseite die Bewegungen der rechten Körperhälfte. Wissenschaftler vermuten daher, dass die Dominanz der linken Hirnhälfte Bewegungen mit rechts und auch Drehungen nach rechts begünstigt.
Die 360-Grad-Rolle geht nach links
Doch die Blauwale hatten noch eine Überraschung parat: Obwohl sie bei den meisten ihrer Beutefang-Aktionen eine klare „Rechtshändigkeit“ zeigten, kehrte sich diese Vorliebe in ganz speziellen Situationen um: Jagten die Meeressäuger einen Krillschwarm, der in der Nähe der Wasseroberfläche schwamm, führten die Wale eine komplette 360-Grad-Rolle durch – und dabei drehten sie sich fast immer nach links.
„Wir waren von diesem Ergebnis völlig überrascht“, sagt Friedlaender. „Offenbar rollen die Blauwale in dieser Situation links herum, damit sie die Beute mit ihrem rechten Auge im Blick behalten können.“ Dies könnte den Blauwalen dabei helfen, diese meist eher kleinen oberflächennahen Schwärme bei ihrer Fangaktion optimal zu treffen.
Anpassungsfähigkeit als Vorteil
„Dies ist der erste Beleg für eine Händigkeit bei Blauwalen und für eine Bevorzugung der rechten Seite wie bei den meisten Säugetieren“, konstatiert Friedlaender. „Gleichzeitig aber zeigen wir, dass diese Seitenpräferenz sich ändern kann – je nachdem, was die Wale gerade tun.“ Eine solche kontextabhängige Händigkeit wurde zuvor bei Tieren noch nicht nachgewiesen, wie er und seine Kollegen berichten.
Für die Meeressäuger jedoch könnte diese Fähigkeit entscheidende Vorteile bieten: „Blauwale sind die größten Tiere unseres Planeten und ihr Beutefangverhalten ist für sie enorm energieaufwändig“, erklärt Friedlaender. „Die Fähigkeit, dieses Verhalten an die Situation anzupassen, könnte den Walen helfen, ihren Beutefang maximal zu optimieren.“ (Current Biology, 2017; doi: 10.1016/j.cub.2017.10.023)
(Oregon State University, 21.11.2017 – NPO)