Neurobiologie

Blick ins Gehirn zeigt Mathe-Lernfähigkeit

Hirnanatomie verrät besser als ein IQ-Test, ob ein Kind von der Mathe-Nachhilfe profitiert

Grundschüler beim Rechnen © Dr. Klaus Retzlaff/ Wikipedia / CC-by-sa 3.0

Wenn es in der Schule mit dem Rechnen hapert, gilt Mathe -Nachhilfe meist als Methode der Wahl. Aber nicht jedes Kind profitiert davon, bei manchen bringt das zusätzliche Pauken nur wenig. Ob die Nachhilfe fruchtet, lässt sich überraschenderweise weder an der Intelligenz des Kindes, noch an seiner Lesefähigkeit oder dem Gespür für Zahlen vorher ablesen. Stattdessen hilft ein Blick ins Gehirn, wie US-Forscher feststellten. Kinder, bei denen ein bestimmtes Hirnareal besonders groß und gut vernetzt war, lernten am meisten dazu, berichten sie im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.

„Heute mehr denn je ist es für den beruflichen und akademischen Erfolgt entscheidend, sich möglichst gute mathematische Fähigkeiten anzueignen“, erklären Kaustubh Supekar von der Stanford University und seine Kollegen. Denn wer als Kind die grundlegenden Rechenoperationen flüssig beherrsche, besitze damit ein Fundament auch für komplexere Fähigkeiten. Aber nicht jedem Schüler fällt Mathematik leicht, schon in der Grundschule zeigen sich deutliche Unterschiede darin, wie schnell und gut das Rechnen gelernt wird.

Um dies auszugleichen, gibt es inzwischen zahlreiche Nachhilfeprogramme, bei denen die Kinder intensiv einzeln betreut werden und so die Chance bekommen, ihre Defizite auszugleichen. Aber auch solche Programme helfen nicht jedem Kind, wie die Forscher erklären. Einige verbessern sich dadurch deutlich, andere aber kaum. Was diese Unterschiede verursacht und wie man vielleicht schon im Vorhinein erkennen könnte, ob die klassische Nachhilfe einem Kind etwas bringt, darüber war bisher kaum etwas bekannt.

Acht Wochen Mathe-Nachhilfe

Für ihre Studie untersuchten Supekar und seine Kollegen 40 Drittklässler im Alter von acht bis neun Jahren. In diesem Alter, das zeigen Studien, finden besonders wichtige Fortschritte im Lernen und auch in der Rechenfähigkeit statt. Alle Kinder absolvierten umfangreiche Tests ihrer Rechenfähigkeiten, aber auch ihrer Intelligenz und kognitiven und psychologischen Entwicklung. Zudem maßen die Forscher sowohl das Volumen als auch die funktionelle Vernetzung verschiedener Hirnareale der Kinder mit Hilfe von funktioneller Magnetresonanz-Tomografie (fMRT).

24 Teilnehmer absolvierten dann ein achtwöchiges Nachhilfeprogramm, in dem sie jeweils in Einzelbetreuung gezielt den Umgang mit Zahlen, das Zählen und Rechnen übten. Nach Abschluss des Programms wurden die Rechenfähigkeiten aller Kinder erneut getestet. Das Ergebnis: Wie erwartet schnitten die 24 Kinder, die Nachhilfe erhalten hatten, beim zweiten Mathetest besser ab als beim ersten und auch besser als die Kontrollgruppe ohne Nachhilfe. Wie viel, schwankte allerdings beträchtlich – zwischen 8 und 198 Prozent, wie die Forscher berichten.

Kein Zusammenhang mit IQ-Test und Co

Als nächstes prüften sie, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Nachhilfeerfolg der Kinder und ihrem Abschneiden in den vorhergehenden psychologischen und kognitiven Tests gab. Überraschenderweise aber fanden sie keinen. „Weder an der Intelligenz, noch am Arbeitsgedächtnis oder den verbalen und mathematischen Fähigkeiten ließ sich der spätere Erfolg der Nachhilfe ablesen“, sagen Supekar und seine Kollegen.

Stattdessen stießen die Forscher auf einen anderen, eher unerwarteten Indikator: die Größe und Vernetzung des Hippocampus. Dass dieses Hirnareal für die Gedächtnisbildung eine Rolle spielt, war zwar bereits bekannt. Er galt aber bisher nicht als eines der Zentren, die speziell für mathematische Fähigkeiten ausschlaggebend sind. Frühere Studien verorteten diese bei Erwachsenen eher im Schläfen- und Scheitelbereich des Gehirns, bei Kindern vor allem im präfrontalen Kortex, einer Region hinter der Stirn.

Doch zumindest in Bezug auf das Lernen erster arithmetischer Lösungen scheint ihnen der Hippocampus den Rang abzulaufen, wie die Forscher feststellten: „Kinder mit einem größeren Volumen an grauer Materie im rechten Hippocampus zeigten größere Lernfortschritte“, berichten sie. Ähnliches gelte auch für Kinder mit starker Vernetzung des Hippocampus mit anderen Bereichen der Hirnrinde.

Blick ins Hirn sagt mehr als kognitive Tests

Nach Ansicht der Wissenschaftler ergeben sich aus diesen Ergebnissen gleich mehrere wichtige Aussagen: Zum einen liefern sie wichtige Informationen darüber, warum manche Grundschüler trotz gleicher Intelligenz weniger als andere von dieser Form der Mathe-Nachhilfe profitieren. „Das Ausmaß des arithmetischen Lernfortschritts kann offenbar nicht durch psychologische, sondern durch neurale Messungen am besten und genauesten vorhergesagt werden“, konstatieren Supekar und seine Kollegen.

Hirnscans könnten es daher zukünftig erleichtern, herauszufinden, ob ein Kind auf klassische Nachhilfe anspricht oder ob besser andere Wege gesucht werden müssen, um ihm beim Mathe-Lernen zu helfen. Zum anderen zeigen die Ergebnisse, dass bei Grundschülern während der frühen Phasen des Lernens vor allem der Hippocampus und die mit ihm vernetzten Hirnareale eine wichtige Rolle spielen – das das Mathe-Lernen in der Kindheit also anders funktioniert als bei Erwachsenen. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2013; doi: 10.1073/pnas.1222154110)

(PNAS, 30.04.2013 – NPO)

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