Die Krankheit beginnt meist mit Sehstörungen, Taubheitsgefühlen oder Bewegungsproblemen und schreitet oft fort bis hin zu Lähmungen: Noch immer ist die Multiple Sklerose (MS) in ihren schlimmsten Formen unheilbar. Ihr Verlauf lässt sich bisher durch Medikamente und Physiotherapie nur mildern. Deshalb sind dringend neue Therapien gefragt. Eine deutsche Wissenschaftlerin hat nun ein Molekül erforscht, das bei der Entstehung der Krankheit eine wichtige Rolle spielt – und das sich als Ansatzpunkt für innovative Medikamente eignen könnte.
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Die Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche, in Schüben verlaufende Autoimmun-Erkrankung, bei der das Immunsystem die Myelin-Schutzhülle der Nervenfasern in Gehirn und Rückenmark fälschlicherweise angreift und zerstört. Deshalb können Nervenimpulse nicht mehr korrekt weitergeleitet werden.
Eine Schlüsselrolle im Krankheitsprozess spielen die T-Zellen des Immunsystems, die normalerweise zwischen körpereigenem Gewebe und Eindringlingen wie Bakterien oder Viren unterscheiden – und die gewöhnlich nicht ins Nervensystem eindringen. Durch einen noch nicht genau verstandenen Mechanismus werden sie bei der MS aktiviert, wandern ins Nervensystem und richten sich dort gegen die Myelin-Hülle.
Komplexe Kommunikation von Immunzellen und Molekülen
In dieser komplexen Kommunikation von Immunzellen und Molekülen hat Dr. Claudia Denkinger am Institut für Virologie und Immunbiologie der Universität Würzburg und an der Case Western Reserve University in Cleveland (USA) den so genannten Makrophagen-Inhibitions-Faktor (MIF) betrachtet. Dieses Molekül beeinflusst wichtige Signalwege der Körperabwehr – und erhöht in bestimmten genetischen Variationen offenbar das Risiko, an einem Autoimmun-Leiden zu erkranken.
Denkinger arbeitete mit einem Antikörper, der das MIF-Molekül blockiert und damit dessen Wirkung abschwächt. Diese Substanz injizierte sie erstmals Labormäusen mit einer Multiple-Sklerose-ähnlichen Krankheit, der so genannten „akuten Experimentellen Autoimmune Enzephalomyelitis“.
Resultat: „Die Krankheitssymptome der Nager besserten sich schneller als bei unbehandelten Tieren, die Behandlung erwies sich als hoch wirksam“, sagt die Forscherin. Die Angriffe des Immunsystems gegen die Myelin-Hüllen seien vermindert gewesen. Offenbar verhindere die MIF-Blockade, dass T-Zellen ins Nervensystem einwandern. Denn im Gehirn der Tiere fanden sich weniger T-Zellen – und diese scheinen zudem ungefährlicher zu sein und schneller als üblich abzusterben.
Schon bald neue Therapie gegen MS?
Die Wissenschaftlerin sieht hier einen „viel versprechenden neuen Ansatz in der MS-Therapie“, zumal sich diese selektiv gegen jene T-Zellen richtet, die die Myelin-Hüllen attackieren. Außerdem lasse sich MIF nicht nur mit Antikörpern ausschalten, sondern auch mit einfacher zu handhabenden „kleinmolekularen Stoffen“, die derzeit entwickelt werden.
Die Nürnberger Novartis-Stiftung für therapeutische Forschung hat die Leistung der Würzburger Wissenschaftlerin nun mit einem Graduierten-Stipendium honoriert. Es ist mit 8.000 Euro dotiert und wurde der 29jährigen Medizinerin bei der Promotionsfeier der Medizinischen Fakultät in der Neubaukirche verliehen.
(idw – Universität Würzburg, 30.05.2007 – DLO)