Dichte Bodenvegetation könnte den trotz Schutzmaßnahmen anhaltenden Rückgang von Insekten fressenden Vögeln in Agrarlandschaften erklären. Wie Forscher herausgefunden haben, sind viele dieser Vögel auf offene Flächen im Kulturland angewiesen, um genügend Nahrung erbeuten zu können.
Gartenrotschwanz, Heidelerche, Wendehals, Wiedehopf: Die Bestände all dieser für das Landwirtschaftsland typischen Vogelarten nehmen in ganz Mitteleuropa seit Jahrzehnten stark ab. Auch die ökologischen Ausgleichsmassnahmen, die die Biodiversität im Landwirtschaftsland fördern sollen, konnten den katastrophalen Rückgang nicht bremsen. Jetzt hat eine Forschergruppe vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern und der Vogelwarte Sempach eine mögliche Erklärung für den anhaltenden Schwund gefunden: Weil offene Bodenstellen im landwirtschaftlich genutzten Grünland weitgehend fehlen, können Vögel keine Insekten mehr erbeuten.
Bodenvegetation entscheidend
Mithilfe von winzigen Telemetriesendern haben die Forschenden unter Leitung von Michael Schaub und Raphaël Arlettaz das Nahrungssuchverhalten der vier Arten in verschiedenen landwirtschaftlichen Kulturen (Niederstamm- und Hochstammobstgärten, Reben) detailliert untersucht. Die Resultate, die in der Zeitschrift «PLoS ONE» publiziert wurden, waren eindeutig: Der Hauptfaktor, der bestimmt, wo die Vögel ihre Nahrung finden, war die Struktur der Bodenvegetation.
In allen untersuchten Kulturen zeigten die Vögel eine starke Bevorzugung für Orte, deren Bodenvegetation lückig war, also ein Mosaik von unbewachsenen und bewachsenen Stellen aufwies. Der offene Boden ermöglicht es den Vögeln, Insekten zu erbeuten, während die nahe Vegetation sicherstellt, dass sich Insekten entwickeln können. Heute weisen viele Hochstammobstgärten eine viel zu dichte Bodenvegetation auf. Die Vögel können keine Beute mehr erhaschen und wandern ab oder verhungern gar. Paradoxerweise überleben einige dieser seltenen Vogelarten in sehr intensiv bewirtschafteten Kulturen wie Niederstammanlagen. Hier profitieren sie von der mechanischen oder chemischen Entfernung der Bodenvegetation unter den Stämmen.
Ausgleichsmaßnahmen anpassen
Zurzeit gibt es europaweit keine ökologische Ausgleichsmaßnahme, die eine lückige Bodenvegetation aktiv fördert oder schafft. Die Forschenden schlagen deshalb vor, die Maßnahmen entsprechend anzupassen. «Falls es gelingt, zum Beispiel in Hochstammobstgärten wieder nennenswerte Flächen mit lückiger Bodenvegetation zu schaffen, können sich die Bestände vieler Vogelarten vielleicht wieder erholen», gibt Professor Raphaël Arlettaz seiner Hoffnung Ausdruck. Auch die Rebflächen weisen diesbezüglich ein grosses Potenzial auf – sie sollten teilweise, aber nicht vollständig begrünt werden.
(Universität Bern, 13.10.2010 – NPO)