Ganz schön sozial: Dass Bonobos Freunden und Familienmitgliedern helfen und sich in der Gruppe gegenseitig unterstützen, ist bekannt. Dieses Verhalten fördert die Kooperation und sorgt für Schmierstoff im sozialen Getriebe. Doch nun enthüllt ein Experiment: Die Kooperationsbereitschaft der Menschenaffen geht weiter als gedacht. Denn sie unterstützen bereitwillig auch völlig Fremde – und zwar ohne Aussicht auf eine unmittelbare Gegenleistung.
Schimpansen und Bonobos sind soziale Tiere, die uns in vielem durchaus ähnlich sind: Sie teilen ihr Futter mit Freunden, belohnen Gefälligkeiten, helfen sich gegenseitig und behalten sehr genau im Auge, wer in der Gruppe zu wem hält. Solche Formen der Kooperation sind für die Menschenaffen wichtig – denn sie sichern ihr Überleben.
Wie weit aber geht diese Kooperation? Ist sie begrenzt auf vertraute Gruppenmitglieder oder helfen die Primaten sogar völlig Fremden – so wie auch wir Menschen das bisweilen tun? Um das herauszufinden, haben Wissenschaftler um Jingzhi Tan von der Duke University in Durham in der freien Wildbahn geborene Bonobos aus dem Kongo auf die Probe gestellt.
Ein leckeres Geschenk
Im Experiment führten sie die engen Verwandten der Schimpansen in einen von zwei Räumen, die durch ein Gitter getrennt waren. Von dort aus konnten die Bonobos sehen, dass ein Apfel an einem Seil von der Decke des anderen Raumes baumelte. Die Leckerei war für sie zwar außer Reichweite. Allerdings konnten sie durch einen Sprung ans Gitter einen hölzernen Stift erreichen, der das Seil an der Decke hielt – und auf diese Weise den Apfel auf den Boden plumpsen lassen. So wäre das Obst zumindest für einen Artgenossen auf der anderen Seite erreichbar.
Doch würden die Menschenaffen fremden Tieren diese Gefälligkeit erweisen? Tatsächlich zeigte sich: War ein fremder Affe im anderen Raum, lösten die tierischen Probanden regelmäßig den Mechanismus zum Freilassen des Apfels aus – und zwar viermal häufiger, als wenn kein anderer Bonobo zugegen war.
Fähigkeit zur Empathie
Besonders bezeichnend dabei: Die Bonobos ließen sich nicht bitten und warteten gar nicht erst darauf, dass der Andere zu Betteln anfing. Sie boten ihre Hilfe einfach so an. Ob der Artgenosse um Hilfe bat oder nicht: Die Bonobos setzten sich in beiden Fällen ähnlich häufig für den Fremden ein, wie die Forscher berichten.
Dieser Einsatz selbst für Unbekannte könnte in der ausgeprägten Fähigkeit zur Empathie der Menschenaffen begründet sein. So konnten die Wissenschaftler in einem weiteren Experiment zeigen: Sehen Bonobos in einem Video einen Artgenossen gähnen, reißen auch sie unwillkürlich ihr Maul auf. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Affe auf dem Bildschirm ein vertrautes Gruppenmitglied oder ein fremdes Tier ist. Wie bei uns Menschen auch scheint Gähnen bei den Bonobos demnach ansteckend zu wirken. Bei diesem Phänomen kommt eine einfache Form der Empathie zum Ausdruck, die Psychologen als Gefühlsansteckung bezeichnen.
Nützliches Verhalten
Der Impuls, auch zu Fremden freundlich zu sein und sich für sie einzusetzen, entwickelt sich Tans Team zufolge vor allem bei Arten, für die es sich trotz des damit verbundenen Aufwands lohnt, Beziehungen zu Außenstehenden einzugehen. Bei Bonobos profitieren vor allem die Weibchen von einem solchen Verhalten. Denn sie verlassen als junge Erwachsene ihre Familie und schließen sich einer neuen Gruppe an.
Dort müssen sie mit fremden Artgenossen interagieren, die sie nie zuvor gesehen haben. Womöglich seien Bonobos – ähnlich wie Menschen – schlicht darauf bedacht, einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen, glaubt Tan. „Alle Beziehungen beginnen mit dem Aufeinandertreffen zweier Fremder. Man trifft einen Unbekannten, doch genau dieser Jemand könnte eines Tages zu einem Freund oder Verbündeten werden“, schließt die Forscherin. „Man sollte nett zu jemandem sein, der in Zukunft womöglich wichtig ist.“ (Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/s41598-017-15320-w)
(Duke University, 10.11.2017 – DAL)