Neurobiologie

Botenstoff stört Funkverkehr im Gehirn

Serotonin dämpft Sendevermögen einer Gehirnregion und blockiert damit das Weiterleiten von Informationen

Die rot und gelb schattierten Bereiche markieren Aktivierungen im Gehirn eines nichthumanen Primaten, gemessen mittels funktioneller Magnetresonanztomografie. Daneben ein Strukturmodell von Serotonin (5-Hydroxytryptamin), einer Substanz welche modulierend in die Informationsverarbeitung im Gehirn eingreift und die bei verschiedenen neurologischen Störungen eine Rolle spielt. © MPI für biologische Kybernetik, Tübingen

Gehirnregionen empfangen Signale von der Außenwelt, und verrechnen diese mit intern abgespeicherten Informationen. Die Resultate daraus werden wiederum an andere Gehirnregionen weitergesendet. Forscher konnten nun zeigen, dass der gehirneigene Botenstoff Serotonin in diesen Funkverkehr eingreift, indem er das Sendevermögen stark einschränkte, aber die Empfangs- und Verrechnungsfunktion weitgehend intakt ließ.

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Diese unter anderem mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) gewonnenen Resultate sind für die Diagnose von Serotonin-Fehlfunktionen wie etwa Schizophrenie von Relevanz. Die Wissenschaftler berichten über die Ergebnisse ihrer neuen Studie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS).

Kombination von Verfahren weltweit einzigartig

Technische Entwicklungen am Max Planck Institut für biologische Kybernetik in Tübingen erlauben die gleichzeitige Registrierung von elektrischer Hirnaktivität und einem mittels fMRT gemessenen Signal (BOLD; für „blood-oxygenation-level-dependent“) in nicht-menschlichen Primaten. Die Kombination dieser Verfahren ist bislang weltweit einzigartig. Das BOLD-Signal liefert Informationen über den lokalen Sauerstoffverbrauch einer Gehirnregion und ist damit ein guter Indikator für das Verrechnen von Signalen in lokalen neuronalen Netwerken.

Die elektrophysiologische Aktivität spiegelt direkt die Informationsverarbeitung wider, wobei sowohl die Empfangs- als auch die Sendeaktivität des lokalen Netzwerks ausgelesen werden kann. Die Empfangsaktivität wird vor allem im niederen Frequenzbereich des elektrophysiologischen Signals reflektiert, während der hochfrequente Bereich die Sendeaktivität widerspiegelt. Zusammen erlauben die verschiedenen Signale eine umfassende Charakterisierung der Empfangs-, Verrechnungs- und Sendefunktionen einer Gehirnregion.

Sendeaktivität stark gedämpft

In der aktuellen Studie untersuchten die Forscher, wie sich die lokale Applikation des Serotonin-Agonisten BP554 auf die Informationsverarbeitung auswirkt. Serotonin ist ein gehirneigener Botenstoff, welcher modulierend auf neuronale Netzwerke einwirkt und bei verschiedenen neurologischen Störungen eine Rolle spielt.

„Außerdem wird der Einfluss von Neuromodulatoren wie etwa Serotonin auf das BOLD-Signal gegenwärtig stark unterschätzt“, sagt Nikos Logothetis. Es zeigte sich auf elektrophysiologischer Ebene, dass BP554 vorwiegend die Sendeaktivität der studierten Gehirnregion stark dämpfte, während Empfang und lokale Verrechnung von Informationen weitgehend unbeeinträchtigt blieben. Das BOLD-Signal wurde durch die Applikation von BP554 nicht beeinflusst, und verhielt sich damit wie die Empfangsaktivität der beobachteten Hirnregion.

Enger Zusammenhang zwischen lokaler Verrechnung von Informationen und dem BOLD-Signal

Der Befund untermauert den engen Zusammenhang zwischen lokaler Verrechnung von Informationen und dem BOLD-Signal. Da das Gehirn ein eng vernetztes System ist, lassen sich lokale Verrechnung und Sendefunktion eines Areals normalerweise nicht trennen.

„Durch die pharmakologische Intervention haben wir hier einen Gehirnzustand hergestellt, welcher eine solche Trennung erlaubt“, erklärt Alexander Rauch. Die Forscher gehen davon aus, dass solche Gehirnzustände auch im Menschen bei Störungen des Serotonin-Systems auftreten können. Insbesondere die Schizophrenie stellt eine solche Störung dar, welche durch Dysregulation der Serotonin-Rezeptoren im Vorderhirn gekennzeichnet ist. Die Ergebnisse können daher einen wertvollen Beitrag zur Diagnostik mithilfe von bildgebenden Verfahren liefern.

(MPG, 30.05.2008 – DLO)

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