Paläontologie

Brontosaurus war heißblütig, Tyrannosaurus eher lau

Fundamentale Einblicke in die Evolution der Thermoregulation bei Dinosauriern

Dinosaurier
Die meisten Dinosaurier waren schon echte Warmblüter. Nur einige Pflanzenfresser wie der Triceratops oder Stegosaurus waren wechselwarm, wie eine Studie enthüllt. © J. Wiemann

Verblüffende Vielfalt: Waren die Dinosaurier schon warmblütig? Auf diese Frage liefern Fossilanalysen nun eine überraschende Antwort. Demnach hatten einige Dinosaurier, darunter Allosaurus oder Diplodocus, sogar eine höhere Stoffwechselrate als heutige Säugetiere. Auch alle anderen Raubdinosaurier und Sauropoden waren schon gleichwarm. Vogelbeckensaurier wie Triceratops oder Stegosaurus waren hingegen noch wechselwarm wie die heutigen Reptilien.

Wechselwarm wie die Reptilien oder gleichwarm wie Säugetiere und Vögel? Die Frage nach der Temperaturregulation der Dinosaurier ist eine der ältesten und umstrittensten Fragen der Paläontologie. Vor allem bei Tyrannosaurus und anderen zweibeinig laufenden Raubdinosauriern wird schon länger vermutet, dass sie warmblütig waren – wie sonst hätten sie so erfolgreiche Jäger werden können? Auch Funde von Dinosaurierfossilien in arktischen Gefilden sprechen dafür, dass zumindest einige Riesenechsen ihre Körpertemperatur aktiv regulieren konnten.

Tyrannosaurus
Waren Tyrannosaurus rex und seine Zeitgenossen schon echte Warmblüter? Bisher war dies strittig. © 1971yes/ iStock

Echte Thermoregulation oder nur Größen-Effekt?

Tatsächlich legen Wachstumsringe von fossilen Knochen und Isotopenanalysen nahe, dass Raubdinosaurier, aber auch einige Langhalssaurier, schon eine relativ hohe, von ihrer Umgebung unabhängige Körpertemperatur besaßen. Körper und Blut von pflanzenfressenden Riesen wie dem Brachiosaurus könnten sogar 36 bis 38 Grad warm gewesen sein. Strittig war allerdings, ob diese hohen Körpertemperaturen schon auf eine aktive Thermoregulation zurückging, wie sie Säugetiere und Vögel besitzen.

Denn es wäre auch denkbar, dass allein schon die enorme Körpergröße und Masse der Dinosaurier für einen Heizeffekt gesorgt hat. Weil Riesen wie Tyrannosaurus oder Brachiosaurus ein großes Körpervolumen im Verhältnis zu ihrer Oberfläche haben, geht ihnen nur wenig Wärme nach außen verloren. Sie könnten ihre Körpertemperatur durch diesen als Gigantothermie oder Mesothermie bezeichneten Effekt daher auch ohne echte Warmblütigkeit gehalten haben.

Stoffwechselprodukt als Anzeiger

Jetzt schafft eine neue Studie Klarheit. Für ihre Studie haben Jasmina Wiemann von der Yale University und ihre Kollegen eine neue Methode entwickelt, um den Stoffwechsel der Dinosaurier zu rekonstruieren. Dafür analysieren sie chemische Relikte von Molekülen, die bei der aktiven Fett- und Zuckerverbrennung in den Zellen anfallen. Diese sogenannten Lipoxidations-Endprodukte sind ringförmige organische Moleküle mit Aminosäureresten, die wasserunlöslich sind und selbst die Fossilisation überdauern.

Für ihre Studie untersuchte das Team die Oberschenkelknochen von 55 verschiedenen fossilen und heute lebenden Tierarten auf den Gehalt an diesen Lipoxidations-Endprodukte hin. Unter den analysierten Tiergruppen waren Dinosaurier aus allen großen Gruppen des Dino-Stammbaums sowie Flugsaurier, aber auch moderne Vögel, Reptilien und Säugetiere. „Die neue Methode erlaubt es uns, direkt auf den Metabolismus ausgestorbener Tiere zu schließen – von so etwas konnten wir vor ein paar Jahren nur träumen“, sagt Koautor Matteo Fabbri vom Field Museum in Chicago.

TRiceratops
Der zu den Echsenbeckensauriern gehörende Triceratops war wechselwarm – er konnte seine Körpertemperatur wahrscheinlich nicht aktiv regulieren. © dottedhippo/ Getty images

Von kalt bis heiß war alles dabei

Die Analysen enthüllten Überraschendes, denn innerhalb der Dinosaurier gab es extreme Unterschiede in den Stoffwechselraten. Demnach waren viele Vogelbeckensaurier (Ornithischia) wie die Pflanzenfresser Stegosaurus und Triceratops noch wechselwarm. Ihre Stoffwechselraten lagen deutlich unter denen von Säugetieren oder Vögeln, wie Wiemann und ihre Kollegen ermittelten. Ähnliches galt für die zur gleichen Gruppe gehörende Entenschnabel-Dinosaurier.

Im Gegensatz dazu waren die zweibeinig laufenden Raubdinosaurier aus der Gruppe der Theropoden bereits echte Warmblüter. Ihre Stoffwechselraten lagen auf dem Niveau heutiger Säugetiere. Auch die pflanzenfressenden Langhalssaurier (Sauropoden) besaßen schon eine aktive Thermoregulation, wie die Forschenden berichten. Brachiosaurus und Co waren demnach echte Warmblüter – und nicht nur gigantotherm, wie früher diskutiert.

Heißblütiger Allosaurus

Einige Dinos waren sogar „heißblütig“: Die Stoffwechselrate des Raubdinosauriers Allosaurus sowie einiger Langhalssaurier wie Brontosaurus, Apatosaurus oder Diplodocus lag höher als bei Säugetieren und ähnlich hoch wie die heutiger Vögel. Eher lauwarm war hingegen der berüchtigte Tyrannosaurus rex: „Seine Stoffwechselrate war die niedrigste von allen untersuchten Echsenbeckensauriern“, berichten die Wissenschaftler.

„Für uns Paläontologen sind diese Ergebnisse wirklich aufregend“, sagt Wiemann. „Denn jetzt haben wir Gewissheit, dass die meisten Dinosaurier warmblütig waren.“ Ihre Daten belegen zudem, das der endotherme Stoffwechsel nicht nur bei den Giganten unter den Dinos vorkam, sondern auch bei mittelgroßen und kleinen Arten – die Fähigkeit zur aktiven Regulation der Körpertemperaturen hat sich demnach unabhängig von der Körpergröße entwickelt.

Warmblütigkeit viermal im Tierreich entstanden

Die Ergebnisse liefern auch neue Einblicke in die evolutionäre Entwicklung der tierischen Thermoregulation: Ergänzende Stammbaumrekonstruktionen enthüllten, dass die Endothermie im Tierreich mindestens viermal unabhängig entstanden sein muss: beim Vorfahren der Säugetiere, bei den Waranen, bei den wasserlebenden Plesiosauriern und beim gemeinsamen Vorfahren der Flugsaurier und Dinosaurier.

Innerhalb der Dinosaurier ging die Warmblütigkeit dann bei einem Großteil der Vogelbeckendinosaurier wieder verloren – möglicherweise war es für wehrhafte, massige Dinos wie Triceratops und Co vorteilhafter, wechselwarm und dafür sparsamer unterwegs zu sein. In allen anderen Dinosauriergruppen blieb die Warmblütigkeit jedoch erhalten. „Die modernen Vögel erbten ihren metabolischen Werkzeugkasten demnach von ihren Sauriervorfahren“, konstatieren Wiemann und ihr Team.

Vögel haben ihre Thermoregulation geerbt

Das bedeutet: Die Warmblütigkeit und hohe Stoffwechselrate der Vögel entwickelte sich schon lange bevor sich die ersten Urvögel in die Luft erhoben – und lange vor dem Ende der Dinosaurier-Ära vor rund 66 Millionen Jahren. Das wirft auch ein neues Licht auf das Massenaussterben am Ende der Kreidezeit: „Eine hohe Stoffwechselrate galt als ein selektiver Faktor für das Überleben dieses Massenaussterbens“, erklären die Forschenden. Nach dieser Lesart starben die Dinosaurier aus, weil sie nicht warmblütig waren.

Doch die Tatsache dass viele Dinosaurier bereits endotherm waren und einige sogar ähnlich „heißblütig“ wie die Vögel, spricht nun gegen diese Annahme. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass andere Merkmale als der Stoffwechsel über das Schicksal der Tiere am Ende der Kreidezeit entschieden haben müssen“, konstatieren die Paläontologen. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-04770-6)

Quelle: Field Museum

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