Archäologie

Bronzezeit: Einwanderung mit Männerüberschuss

Reiternomaden aus Zentralasien hinterließen kaum weibliche Spuren im Europäer-Erbgut

Anteil von Männern (blau) und Frauen (rot) während der beiden Einwanderungswellen nach Europa. © Mattias Jakobsson

Invasion der Männer: Vor rund 5.000 Jahren löste ein aus dem Osten kommendes Steppenvolk dramatische Veränderungen im bronzezeitlichen Europa aus. Genanalysen zeigen nun, dass es sich bei diesen Migranten fast ausschließlich um Männer gehandelt haben muss. Ganz anders sah es bei der Einwanderung der ersten Bauern 4.000 Jahre zuvor aus: Damals waren die Geschlechter noch gleichmäßig verteilt.

Die meisten Bewohner Europas tragen heute ein gemischtes genetisches Erbe in sich: Ein Teil ihrer DNA stammt von Jägern und Sammlern, die schon vor rund 40.000 Jahren den Kontinent besiedelten. Der andere Teil aber zeugt von zwei weiteren Einwanderungswellen: Vor rund 9.000 Jahren kamen die ersten Bauern aus Anatolien und dem Nahen Osten wahrscheinlich über die Inseln der Ägäis nach Europa. 4.000 Jahre später gesellten sich dann Steppennomaden aus Zentralasien dazu, die sich mit den alten neolithischen Bauernkulturen vermischten.

Klar ist: Beide Migrationswellen lösten in Europa tiefgreifende, kulturelle Umstürze aus und prägten die Entwicklung der Gesellschaft nachhaltig. Doch welche Menschen waren es genau, die damals nach Europa kamen und ihre Gene in der hiesigen Bevölkerung hinterließen? Junge Männer? Frauen? Ganze Familien?

Deutlicher Männerüberschuss

Das wollten Wissenschaftler um Amy Goldberg von der Stanford University in Kalifornien wissen und haben sich deshalb auf eine genetische Spurensuche begeben. Dafür untersuchten sie das Erbgut in den Überresten von 20 jungsteinzeitlichen Menschen und 16 Individuen aus den Anfängen der Bronzezeit.

Dabei zeigte sich: In der DNA der Steinzeitmenschen haben männliche wie weibliche Einwanderer gleichermaßen ihre Spuren hinterlassen. „Bei der späteren Migrationswelle finden wir jedoch Hinweise auf einen deutlichen Männerüberschuss“, sagt Matthias Jakobsson von der Uppsala University in Schweden. Demnach tragen die geschlechtsspezifisch vererbten X-Chromosomen der bronzezeitlichen Europäer kaum Merkmale, die für die Reiternomaden aus Zentralasien typisch sind.

Unterschiedliche Migrationsmotive?

Das bedeutet: Vor 5.000 Jahren mischten sich offenbar kaum weibliche Steppenreiter unter die europäische Bevölkerung. „Es gibt deshalb nur wenige weibliche Geschlechtschromosomen der Migranten“, erklärt Jakobsson. Anhand der Genanalyse haben die Forscher berechnet, dass mit zehn einwandernden Männern lediglich eine Frau nach Europa kam – und zwar über einen Zeitraum von mehreren Generationen.

Das Team schließt daraus, dass die beiden Einwanderungswellen vor 9.000 und 5.000 Jahren durch unterschiedliche soziale und kulturelle Prozesse angetrieben worden sein müssen. Demnach kamen die jungsteinzeitlichen Bauern im wahrsten Sinne des Wortes mit Sack und Pack in die neue Welt. Wahrscheinlich begaben sich ganze Familien auf Wanderschaft.

Dass später hauptsächlich Männer nach Europa kamen, spricht nach Ansicht der Forscher hingegen dafür, dass diese Migration eher den Charakter eines Eroberungsfeldzugs hatte. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2017; doi: 10.1073/pnas.1611576114)

(Uppsala Universitet, 22.02.2017 – DAL)

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