Überraschend brutal: In der Baumsavanne Senegals haben Schimpansen offenbar ein ehemaliges Gruppenmitglied getötet und seine Leiche danach über Stunden weiter attackiert. Vor allem die Männchen des Trupps zeigten sich erstaunlich aggressiv gegenüber dem vormaligen Anführer des Trupps. Schon tödliche Gewalt zwischen Mitgliedern einer Schimpansengruppe ist äußerst selten. Der anschließende Missbrauch der Leiche sei aber noch ungewöhnlicher, berichten die Forscher.
Menschenaffen können durchaus aggressiv werden. Davon zeugen Schimpansen, die Rivalen attackieren, gemeinsam Jagd auf andere Affen machen oder gegen konkurrierende Gruppen vorgehen. Schwere Aggressionen oder sogar tödliche Angriffe von Mitgliedern eines Trupps untereinander sind bei den Primaten jedoch extrem selten. „Die meisten Gewalttaten kommen zwischen Gruppen vor“, sagt Jill Pruetz von der Iowa State University.
Was die Anthropologin und ihre Kollegen im Jahr 2013 in Fongoli im Senegal beobachteten, schockierte daher selbst die Experten: „Es war grausam, zuzuschauen und zunächst verstand ich gar nicht, was da gerade passierte. Ich hätte nie erwartet, dass die Schimpansen so aggressiv mit dem Körper umgehen würden“, berichtet Pruetz. Was war geschehen?
Aggressive Leichenschändung
Als die Wissenschaftler an diesem Tag an ihrer Forschungsstätte ankamen, sahen sie den leblosen Körper eines früheren Gruppenmitglieds auf dem Boden liegen: Der Schimpanse Foudouko war einmal der Anführer des Trupps gewesen, hatte die letzten Jahre aber im Exil gelebt und nur ab und zu mit den anderen Schimpansen aus der Gruppe interagiert.
Nun war er tot – und wurde von seinen ehemaligen Weggefährten brutal attackiert. Fast vier Stunden lang schlugen die Schimpansen immer wieder auf den Körper ein, vergingen sich an ihm und zeigten sogar kannibalistisches Verhalten. Die jungen Schimpansen-Männchen waren dabei am aggressivsten, wie das Team nun berichtet. Insgesamt beteiligte sich jedoch die gesamte Gruppe an der Attacke – lediglich zwei von Foudoukos ehemals engsten Verbündeten zeigten keinerlei Aggressionen.
Konkurrent ausgeschaltet?
Doch was war der Grund für dieses merkwürdige Verhalten? Trauer mit Sicherheit nicht, sagt Pruetz. Sie vermutet sogar, dass die Gruppe Schuld an dem Tod Foudoukos trägt und ihn getötet hat. „Schimpansen sind sehr soziale Wesen und es scheint, dass Foudouko versucht hat, wieder vollständig in die Gruppe aufgenommen zu werden“, so die Wissenschaftlerin.
Könnte es sein, dass die anderen Männchen sich dadurch bedroht fühlten und einen möglichen Konkurrenten ausgeschaltet haben? Tatsächlich ist der Kampf um Weibchen bei den Schimpansen von Fongoli hart. Denn es gibt mehr männliche als weibliche Affen in dem Gebiet. Schuld an dem Geschlechter-Ungleichgewicht könnte der Mensch sein: Einheimische Bewohner machen Jagd auf weibliche Primaten, um Jungtiere für den Handel zu bekommen. Schon ein Fang alle paar Jahre kann jedoch einen enormen Einfluss haben, da sich Schimpansen nur selten fortpflanzen und sich lange um ihren Nachwuchs kümmern.
Störfaktor Mensch
Pruetz hat schon länger menschengemachte Veränderungen, die den Lebensraum und die Lebensweise der Tiere stören, als Ursache für das Aufkommen von Aggression unter Artgenossen in Verdacht. Ob das bei Foudouko wirklich der Fall war, stehe nicht mit Sicherheit fest, sei aber nicht unwahrscheinlich, schreiben die Forscher.
„Abgesehen vom Menschen, zeigen nur wenige Tiere derart tödliche Aggression. Experten streiten sich schon lange darum, was dieses gewalttätige Verhalten unter Primaten auslöst“, sagt Pruetz. Es sei wichtig, dieses Verhalten zu verstehen – auch weil Schimpansen ohnehin akut vom Aussterben bedroht seien.
Foudokos Körper haben Pruetz und ihre Kollegen beerdigt, nachdem der Rest der Gruppe verschwunden war. Er soll später aber noch einmal exhumiert werden. Die Forscher erhoffen sich dann, mehr über die Todesursache in Erfahrung bringen zu können. (International Journal of Primatology, 2017)
(Iowa State University, 06.02.2017 – DAL)