Biologie

Buckelwal-Nachwuchs „flüstert“

Jungtiere nutzen besonders leise Laute, um Räubern zu entgehen

Ein Buckelwalweibchen mit ihrem Jungen im Exmouth Gulf in Westaustralien. © Fredrik Christiansen

Flüstern statt Singen: Buckelwale sind für ihre weithin schallenden Gesänge bekannt. Doch wenn die Walweibchen Junge haben, werden sie ganz leise: Mutter und Kind kommunizieren dann nur noch „flüsternd“, teilweise sogar nur über Berührungen, wie Unterwasseraufnahmen erstmals enthüllen. Der Grund für das „Flüstern“: Lautere Rufe könnten Orcas und andere Räuber anlocken – und für die wäre das Walkalb ein willkommenes Fressen.

Buckelwale sind Langstrecken-Wanderer: Selbst wenn die Walmütter Nachwuchs haben, ziehen sie tausende Kilometer weit von ihren Winterquartieren in den Tropen bis in die Sommerquartiere in den Polargebieten. Für die Walkälber bedeutet dies: Nach ihrer Geburt in tropischen Meeeresbuchten müssen sie so schnell wie möglich wachsen und fit werden für die lange Reise.

Mutter-Kind-Paare belauscht

Doch wie die Walkälber dies schaffen, wie viel und wann sie von ihren Mütttern gesäugt werden und wie die beiden dabei kommunizieren, war bisher weitgehend unbekannt. „Wir wissen so gut wie gar nichts über die frühen Lebensphasen der wildlebenden Wale“, sagt Simone Videsen von der Universityät Aarhus. „Aber genau diese Zeit ist entscheidend für das Überleben der Walkälber bei ihrer langen Wanderung zu den sommerlichen Futterplätzen.“

Um mehr herauszufinden, haben Videsen und ihre Kollegen nun acht frisch geborene Buckelwalkälber vorübergehend mit Klebesensoren ausgestattet, die deren Bewegungen und Lautäußerungen aufzeichneten. Erstmals gelang es ihnen so, die Kommunikation von wildlebenden Buckelwalmüttern und ihren Jungen zu belauschen.

Flüstern statt Rufen

Dabei zeigte sich: Walmütter und ihre Jungen verständigen sich untereinander auf besondere Weise. Wenn beide gemeinsam abtauchen, geben sie keine lauten Rufe von sich, wie unter erwachsenen Buckelwalen häufiger der Fall. Stattdessen „flüstert“ das Walkalb mit schwachem Grunzen und Quieken nur gerade so laut, dass die Mutter es hört und sich beide im Wasser nicht verlieren.

So klingt das leise Quieken des Walkalbs:

„Die Lautstärke der Kälber lag um mehr als 40 Dezibel niedriger als bei den singenden Buckelwalen in derselben Gegend“, berichten Videsen und ihre Kollegen. „Gleichzeitig waren die Kälberlaute auch 20 bis teilweise 70 Dezibel leiser als die sozialen Rufe der erwachsenen Buckelwale.“ Das leise „Flüstern“ der Walkälber wird daher schon nach wenigen Dutzend Metern vom Umgebungsgeräusch maskiert.

Das leise Flüstern dient vor allem dazu, das Walkalb vor räuberischen Orcas zu schützen. © Fredrik Christiansen

Schutz vor lauschenden Orcas

Und noch etwas enthüllten die Aufnahmen: Um der Mutter anzuzeigen, dass es säugen will, nutzt das Walkalb gar keine akustische Kommunikation. Stattdessen schiebt es sich unter sie und signalisiert durch Berührung, dass nun ein reichlicher Milchfluss ganz schön wäre: „Wir hörten eine Menge schabende Geräusche, wie zwei Ballons, die aneinander gerieben werden“, berichtet Videsen. „Das war wahrscheinlich das Kalb, das seine Mutter stupste, als es saugen wollte.“

Der Grund für diese fast „verstohlene“ Kommunikation: „Akustische Signale können von Räubern oder erwachsenen Buckelwalmännchen belauscht werden und unbeabsichtigt den Standort verraten“, erklären Videsen und ihre Kollegen. Gerade Orcas jagen häufig Buckelwalkälber und sind für die Jungtiere daher eine große Gefahr. Die Buckelwal-Männchen sind zwar keine direkte Bedrohung für die Walkälber, stören aber Mutter und Kalb beim Säugen.

Durch Meereslärm besonders gefährdet

Die sehr leise Kommunikation von Walmüttern und ihren Kälbern bedeutet jedoch auch, dass sie gegenüber Umgebungslärm besonders sensibel sein könnten. Das Wissen darum ist daher für den Schutz dieser Wale wichtig. „Weil Mutter und Kind flüsternd kommunizieren, könnte beispielsweise Schiffslärm diese leisen Rufe leicht übertönen“, sagt Videsen.

Schlimmstenfalls hätte dies zur Folge, dass das Walkalb bei Tauchgängen den Anschluss an seine Mutter verliert. Passen sich die Buckelwale dagegen an, indem sie selbst auch lauter werden, könnten Orcas sie möglicherweise aufspüren. „In beiden Fällen hätte ein erhöhter Lärm negative Konsequenzen für die Überlebenschance der Walkälber“, so die Forscher. (Functional Ecology, 2017; doi: 10.1111/1365-2435.12871)

(British Ecological Society (BES), 26.04.2017 – NPO)

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