Biologie

Buntbarsche lieben lieber in Inzucht

Keine Hinweise auf genetische Nachteile für den Nachwuchs

Buntbarsch-Pärchen an der Bruthöhle © Dr. Harald Kullmann / Uni Bonn

In fast allen menschlichen Kulturen ist Inzucht tabu. Nicht so bei manchen Buntbarschen: Lässt man ihnen die Wahl, paaren sie sich weit häufiger mit Bruder oder Schwester, als mit einem nicht-verwandten Artgenossen. Wie Evolutionsbiologen jetzt in der Fachzeitschrift „Current Biology“ berichten, konnten sie keine Hinweise dafür finden, dass diese Geschwisterliebe zu genetischen Komplikationen beim Nachwuchs führt. Stattdessen arbeiten verwandte Eltern bei der Aufzucht der Kinder besser zusammen. Die Forscher vermuten, dass ihre Beobachtungen auch für andere Arten zutreffen könnten.

In ihrer Studie setzten Biologen der Universität Bonn geschlechtsreife Buntbarsch-Männchen in ein Aquarium mit zwei Weibchen und beobachteten, zwischen welchen beiden Tieren es zur Paarung kam. Bei der ersten potenziellen Partnerin handelte es sich um eine Schwester des Männchens, die andere war nicht mit ihm verwandt. In 17 von 23 Fällen kam es dabei zu einer inzestiösen Liaison. Nur sechsmal entschied sich das Männchen für das nicht verwandte Weibchen. „Es ist das erste Mal, dass eine solche Präferenz für einen eng verwandten Partner experimentell nachgewiesen wurde“, erklärt Timo Thünken vom Institut für Evolutionsbiologie und Ökologie. Dieses erstaunliche Ergebnis konnten die Forscher in verschiedenen weiteren Experimenten bestätigen.

Inzucht bringt normalerweise genetische Nachteile

Bis vor kurzem ging die weltweite Forschergemeinde davon aus, dass die Liebe unter Geschwistern überwiegend Nachteile mit sich bringt. Vor allem aus genetischer Sicht: Kinder erben von jedem Gen zwei Kopien, eine vom Vater und eine von der Mutter. Ist bei einem Elternteil eine Erbanlage mutiert, kann das der Partner in der Regel mit einer „gesunden“ Kopie ausgleichen. Wenn die Eltern verwandt sind, erhöht sich aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass bei ihnen die selben Erbanlagen defekt sind.

Entsprechend oft erbt der Nachwuchs zwei defekte Kopien. Zu beobachten ist dieser Effekt beispielsweise an der Gerinnungsstörung Hämophilie, die inzuchtbedingt vor allem Adelige traf und daher auch „Krankheit der Könige“ genannt wird. Auch das Immunsystem scheint umso schlagkräftiger auf neue Herausforderungen reagieren zu können, je unterschiedlich die genetische Ausstattung der Eltern ist.

Geschwisterliebe mit mehr Harmonie

„Andererseits sagen neue theoretische Arbeiten aber voraus, dass Inzucht den Sexualpartnern auch Vorteile bringen kann“, betont Thünken. So müssen Buntbarsche nach dem Schlupf sehr gut auf ihre Jungen aufpassen, um sie vor Fressfeinden zu schützen. Beispielsweise eskortieren sie gemeinsam ihren Nachwuchs bei den ersten Ausflügen. Ein derart kooperatives Verhalten scheint aber unter Verwandten stärker ausgeprägt als unter Fremden: Die Zweier-Eskorte klappte unter den Geschwistern viel besser als bei nicht verwandten Partnern. Auch als Wache vor der Bruthöhle gingen die fremden Männchen häufiger stiften. Stattdessen attackierten sie nicht selten die eigene Partnerin: Doppelt so oft wie bei Geschwistern kam es hier zum Krach.

„Dazu kam, dass in unserer Studie Inzucht die Fitness der Nachkommen kaum zu beeinträchtigen schien“, sagt Timo Thünken. Weder starb der Nachwuchs von Geschwistern schneller, noch blieb er kleiner oder schwächer. „Unsere Tiere stammen aus einem Bachlauf in Kamerun, wo nur eine einzige vergleichsweise kleine Population lebt“, erklärt Thünken die Beobachtung. „Hier ist es wahrscheinlich über viele Generationen immer wieder zu Inzucht gekommen. Nachkommen mit gefährlichen Erbkrankheiten sind dann früh gestorben.“ Das genetische Material könnte also über Generationen hinweg gereinigt worden sein, so dass Inzucht für die untersuchten Buntbarsche heute kaum noch gefährliche Konsequenzen hat.

(Universität Bonn, 07.02.2007 – NPO)

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