Der Clou daran: Normalerweise sind chemische Bindungen fixiert. Sie zwingen die durch sie verknüpften Atome, eine bestimmte räumliche Stellung zueinander einzunehmen. Zwar können diese kovalenten Bindungen unter bestimmten Bedingungen umklappen, frei und leicht beweglich ist diese Verknüpfung aber nicht. Erst durch die von Sauvage entwickelten Molekülklasse der Catenane ändert sich dies. Der Chemiker schuf damit die Grundlage für die Gelenke und Getriebe heutiger Nanomaschinen.

Aus sogenannten Rotaxanen konstruierten Stoddart und seine Kollegen unter anderem einen Nano-Fahrstuhl. © Nobelprize.org
Ring und Achse aus Molekülen
Der nächste Schritt gelang dem aus Schottland stammenden Chemiker J. Fraser Stoddart. Er konstruierte 1991 erstmals ein weiteres grundlegendes Bauteil für Nanomaschinen, die sogenannte Rotaxane. Diese bestehen aus einem langen, stabförmigen Molekül, das als Achse dient, und einem darum gelegten ringförmigen Molekül aus aromatischen Kohlenwasserstoffen.
Wird diesem Bauteil Energie beispielsweise in Form von Wärme zugeführt, bewegt sich der Ring zwischen den beiden Enden der Achse hin und her – wie ein winziges Shuttle. Stoddart und seine Kollegen konstruierten aus solchen Rotaxanen unter anderem einen Nano-Fahrstuhl mit dem Ring als „Kabine“, aber auch künstliche Muskeln im Nanomaßstab, die genügend Kraft entwickeln, um eine dünne Goldfolie zu biegen.
Der erste Nanomotor
Nachdem diese beiden chemischen Nano-Bauteile erfunden waren, begann weltweit der Wettlauf um den ersten echten Nanomotor. Das Rennen machte 1999 der niederländische Chemiker Bernard Feringa. Ihm gelang es als ersten, ein Molekül zu konstruieren, dass bei Beleuchtung in eine Richtung rotiert – sozusagen ein chemischer Propeller.
Dieser chemische Rotor besteht aus flachen, scheibenartigen Kohlenwasserstoffen, sogenannten überfüllten Alkenen. Diese besitzen an zwei Stellen angehängte Methylgruppen, die wie kleine Rotorblätter vorstehen. Wird dieses Molekül mit UV-Licht bestrahlt, klappt einer dieser Rotoren um 180 Grad um und bringt das Molekül in Bewegung. Gleichzeitig verhindert die Struktur, dass es sich wieder zurückdreht – wie bei einer mechanischen Ratsche. Durch ständige Lichtpulse dreht sich der Nanorotor immer weiter in eine Richtung.

Inzwischen konnten Forscher verschiedenste molekulare Maschinen entwickeln: zum Beispiel ein Nanoauto. © Nobelprize.org
Wenig später kombinierten Feringa und seine Kollegen vier solcher Nanorotoren mit einer molekularen Karosserie und schufen so ein von Licht angetriebenes Nanoauto. Wurde es bestrahlt, fuhr es langsam über eine Oberfläche. Wie viel Kraft diese molekularen Rotoren ausüben können, bewiesen die Forscher mit einem weiteren Experiment: Sie verbanden ihre Nanomaschinen mit einem 28 Mikrometer langen Glaszylinder – er war damit rund 10.000-Mal größer als sie. Dennoch gelang es den winzigen Rotoren, den gesamten Zylinder in Drehung zu versetzen.
„Aus der Stagnation des Gleichgewichts gerissen“
„Die diesjährigen Nobelpreisträger haben molekulare Systeme aus der Stagnation des chemischen Gleichgewichts gerissen und in Zustände überführt, in denen ihre Bewegungen kontrollierbar werden“, heißt es in der Begründung des Nobelpreis-Komitees. Damit legten Sauvage, Stoddart und Feringa die Basis für das gesamte neue Forschungsfeld der molekularen Maschinen.
„Noch steht die Entwicklung der molekularen Motoren ganz am Anfang, vergleichbar dem Stadium des elektrischen Motors in den 1830er Jahren, als Forscher mit sich drehenden Rädern und anderen Objekten experimentierten – ohne zu ahnen, dass daraus einst Eisenbahnen, Waschmaschinen und Ventilatoren werden würden“, so das Nobel-Komitee weiter. Ähnlich werden auch die Nanomaschinen in Zukunft ganz neue Anwendungen und Technologien möglich machen.
(Nobel Foundation, 05.10.2016 – NPO)
5. Oktober 2016