Neurobiologie

Chips: Was ist der Sucht-Auslöser?

Fett und Kohlenhydrate allein erklären nicht, warum man nicht mehr aufhören kann

Kartoffelchips © SXC

Kartoffelchips haben eine fatale Wirkung: Man kann nicht mehr aufhören. Statt nur einer Handvoll isst man meist die ganze Packung. An Ratten haben Forscher jetzt beobachtet, dass nicht allein das viele Fett und die Kohlenhydrate für diesen Effekt verantwortlich sein können. Denn die Belohnungs- und Suchtzentren im Gehirn sprangen nur dann in voller Stärke an, wenn die Tiere Chips bekamen, nicht aber, wenn ihre Nahrung nur genauso viel Fett und Stärke enthielt. Welche Komponente das „Nicht mehr aufhören können“ tatsächlich auslöst, das sollen nun weitere Untersuchungen klären, so die Forscher im Fachmagazin „PLoS One“.

Fast jeder Mensch hat schon einmal den Drang verspürt, mehr zu essen, als ihm eigentlich gut tut – einfach weil eine Speise gerade so lecker schmeckt. Allerdings gehen Wissenschaftler auch davon aus, dass manche Lebensmittel, wie etwa Snacks oder Schokolade, unabhängig von einer persönlichen Vorliebe eine sogenannte Hyperphagie auslösen können. Die chronische Form dieses Zustands ist einer der Schlüsselfaktoren für die epidemische Ausbreitung von Übergewicht oder sogar Fettleibigkeit, die nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande zunehmend für gesundheitliche Probleme in der Bevölkerung verantwortlich gemacht wird.

Ratten als Chips-Tester

Welche Mechanismen bei dieser Sucht nach mehr im Körper ablaufen und durch welche Inhaltsstoffe es hervorgerufen wird, dieser Fragestellung sind Tobias Hoch, Monika Pischetsrieder und Andreas Hess von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) auf den Grund gegangen. Für ihre Studie fütterten die Forscher Laborratten mit dreierlei Kost: Der einen Gruppe von Ratten wurden Kartoffelchips vorgesetzt – und zwar „all you can eat“. Bei einer zweiten Gruppe stand lediglich normales Rattenfutter auf dem Speiseplan. Eine dritte Gruppe erhielt eine Futtermischung, die die gleiche Fett-Kohlenhydratmischung und damit den gleichen Energiegehalt wie die Kartoffelchips hatte, aber eben kein Snack-Food sind. Mittels einer speziellen Magnetresonanz-Tomografie zeichneten die Forscher die Gehirnaktivität der Tiere auf.

Bei den Tieren, die Chips bekamen, waren die Hirnareale besonders aktiv, die für Belohnung und für Sucht zuständig sind. Aber auch die Regionen, in denen Futteraufnahme, Aktivität und Bewegung geregelt sind, wurden durch Chips stärker aktiviert als durch die beiden anderen Futtersorten. Interessanterweise war die Aktivierung der Schlafregulationszentren dagegen schwächer ausgeprägt. In einer früheren Studie hatten Forscher bereits festgestellt, dass der Genuss von Chips eine körpereigene, Cannabis-ähnliche Droge im Darm freisetzt. Diese wiederum wirkt auch unsere Suchtzentren.

Auslöse-Substanzen noch unklar

Was aber ist es, das die Chips so attraktiv macht und die Belohnungszentren aktiviert? Zuvor vermutete man, dass der hohe Anteil an Fett und Kohlenhydraten Ratten und damit möglicherweise auch Menschen dafür verantwortlich sein könnte. Das konnten die Forscher in ihrem Versuch zumindest zum Teil entkräften: Obwohl eine Gruppe von Ratten mit einer Mischung gefüttert wurde, die ähnlich viel Fett und Kohlenhydrate enthielten wie Chips, reagierte ihr Gehirn deutlich weniger stark als bei den Ratten mit Snack-Food. Der Effekt von Kartoffelchips auf die Gehirnaktivität könne also nur zum Teil durch die Menge an Fett und Kohlehydraten erklärt werden, so die Autoren der Studie. Ihre Vermutung: Es muss neben Fett und Kohlehydraten noch andere Eigenschaften von Kartoffelchips geben, die sie so attraktiv machen.

Die Forscher arbeiten nun daran, die molekularen Auslöser zu entschlüsseln, die für genau diese Gehirnaktivtäten verantwortlich sind – das Ergebnis könnte helfen, Medikamente oder Nahrungsmittel zu entwickeln, die diese fatale Begehrlichkeit von Snacks und Süßigkeiten blockieren oder zumindest reduzieren. Dazu sollen unter anderem ähnliche Studien am Menschen durchgeführt werden. Allerdings gebe es zum jetzigen Zeitpunkt keinen Hinweis darauf, dass es möglich sein könnte, bestimmte Zutaten zu sehr gesunden, aber mäßig populären Lebensmitteln – wie etwa Rosenkohl – hinzuzufügen, die ihnen dann die Attraktivität von Chips verleihen, betonen die Forscher.

Idas Experiment zeigte auch, dass bei den Ratten ähnlich wie beim Menschen, die Anfälligkeit für den übermäßigen Genuss von Snack-Food individuell variiert. Das könne mit unterschiedlichen Geschmackspräferenzen zu tun haben, so die Forscher. So könnte etwa das Belohnungssignal bei manchen Menschen nicht stark genug sein, um die persönlichen Vorlieben zu „überstimmen“. Auch gebe es wohl einfach Menschen, bei denen die Willenskraft größer sei als ihr Heißhunger auf Kartoffelchips. (PloS ONE, 2013; ; doi: 10.1371/journal.pone.0055354)

(Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 18.04.2013 – NPO)

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