Helden der Ozeane: Cuvier-Schnabelwale (Ziphius cavirostris) tauchen nicht nur etwa 3.000 Meter tief, sie können auch fast vier Stunden lang unter Wasser bleiben, wie neue Beobachtungen enthüllen. Dies ist nicht nur ein Rekord für diese Meeressäuger, es gibt Biologen auch Rätsel auf. Denn eigentlich müsste diesen Walen schon nach gut 30 Minuten die Luft ausgehen. Wie sie trotzdem so lange tauchen können, ist offen.
Wale und viele andere Meeressäuger suchen ihre Nahrung in den Tiefen des Meeres und tauchen dabei hunderte bis sogar mehr als tausende Meter tief. Der weit verbreitete Cuvier-Schnabelwal (Ziphius cavirostris) taucht wie alle Schnabelwale sehr lange und tief, um vorwiegend nach Tintenfischen zu jagen. In dieser Zeit atmen die Meeressäuger nicht und müssen daher mit den Sauerstoffvorräten in ihrer Lunge und ihrem Blut auskommen.
Aus früheren Studien weiß man, dass sich der Herzschlag von Walen während der Jagd unter Wasser stark verlangsamt. Selbst beim anstrengenden Hochschnellen zur Beute beschleunigt sich der Puls von Blauwalen kaum. An der Wasseroberfläche lässt sich hingegen ein rasender Herzschlag messen. Zudem haben Wale Anpassungen entwickelt, die sie vor der Taucherkrankheit schützen. So kollabiert bei ihnen ein Teil der Lunge beim Tauchen. Der andere bleibt mit Luft gefüllt, wird aber nur wenig durchblutet. Auf diese Weise wird die Stickstoffaufnahme ins Blut begrenzt, sodass sich beim raschen Wiederauftauchen weniger Blasen bilden.
Wie lange bleiben die Wale unter Wasser?
Berechnungen zufolge können vergleichsweise kleine Meeressäuger – wie die etwa sieben Meter langen Cuvier-Schnabelwale – nur etwa 33 Minuten unter Wasser bleiben, bevor ihnen der Sauerstoff ausgeht und sie auf anaerobe Atmung zurückgreifen müssen. Nicola Quick von der Duke University und seine Kollegen hatten jedoch den Verdacht, dass diese relativ scheuen Wale in der Lage sind, weitaus länger zu tauchen.
Um der Frage auf den Grund zu gehen, wie oft die Tiere diese längeren Tauchgänge unternehmen und wie lange sie unter Wasser bleiben, haben die Forscher nun Cuvier-Schnabelwale in den Gewässern vor Cape Hatteras in North Carolina gezielt beobachtet. Dabei wollten sie zusätzlich herausfinden, wie lange es dauert, bis sich die Wale nach der Rückkehr an die Wasseroberfläche von ihrem Tauchgang erholen.
Über einen Zeitraum von fünf Jahren rüstete das Team dafür Wale mit 23 Sensoren aus, um ihre Tauchgänge zu dokumentieren. „Die durchschnittliche Zeit, die sie an der Oberfläche verbringen, beträgt etwa zwei Minuten, also braucht man eine engagierte Crew und ein manövrierfähiges Schiff, um die Sensoren anzubringen“, erklärt Quick. Zudem bleibt für die Sensoren nur wenig Zeit, um ihre Daten an Satelliten zu übertragen. Dennoch gelang es den Forschern, Informationen zu mehr als 3.600 Tauchgängen zu sammeln.
Tauchdauer unerwartet lange
Das erstaunliche Ergebnis: Die beobachteten Tauchgänge dauerten zwischen 33 Minuten und zwei Stunden und 13 Minuten. Darüber hinaus dokumentierte das Team im Jahr 2017 zwei außergewöhnliche Tauchgänge, die noch länger dauerten: Ein Wal tauchte fast drei Stunden lang, während ein anderer sogar drei Stunden und 42 Minuten unter Wasser blieb. Damit ging die Zeit bei allen Tauchgängen weit über den Punkt hinaus, an dem die Cuvier-Schnabelwale – den Berechnungen zufolge – keinen Sauerstoff mehr haben sollten.
„Wir haben es zuerst nicht geglaubt, denn es handelt sich schließlich um Säugetiere, und dass ein Säugetier so lange unter Wasser bleiben kann, schien einfach unglaublich“, sagt Quick. Was die Meeressäuger und im Speziellen die beiden „Rekordwale“ dazu brachte, so extrem lange zu tauchen, kann die Forscherin nur vermuten. „Es könnte sein, dass dort unten besonders viel Beute war oder dass sie sich bedroht fühlten, vielleicht hat sie auch Lärm gestört“, mutmaßt Quick.
Mit speziellen Sauerstoffvorräte ausgestattet
Doch wie schaffen es diese Wale, so lange ohne zu atmen unter Wasser zu bleiben? „Es hat uns wirklich überrascht, dass diese Tiere in der Lage sind, so weit über das hinauszugehen, was ihre Tauchgrenzen laut Vorhersagen sein sollten“, sagt Quick.
Die Forscher vermuten, dass die Tiere während ihrer Tauchgänge einen außergewöhnlich niedrigen Stoffwechsel haben könnten. Dieser könnte zusätzlich mit großen Sauerstoffvorräten gekoppelt sein, so dass sie länger ohne Atmen auskommen als normalerweise. Nach Berechnungen der Wissenschaftler wechseln die Muskeln der Meeressäuger spätestens nach 77 Minuten des Tauchens auf einen anaeroben Stoffwechsel. Dabei verhindern die Tiere offenbar, dass sich zu viel Milchsäure in ihren Muskeln anreichert.
Überraschend wenig Erholungszeit
Aber wie lange dauert es, bis sich die Wale von den stundenlangen Tauchgängen erholen? Die Analyse der Zeitspanne zwischen den Futtersuch-Tauchgängen erstaunte die Forscher erneut, denn sie erkannten dabei kein klares Muster. Einer der beobachteten Wale nahm nach einem zweistündigen Tauchgang die Nahrungssuche bereits nach 20 Minuten wieder auf. Ein anderer, der einen 78-minütigen Tauchgang absolviert hatte, verbrachte hingegen fast vier Stunden damit, kürzere Tauchgänge zu machen und immer wieder an die Oberfläche zurückzukehren, bevor er den nächsten Jagd-Tauchgang begann.
„Als wir die Studie begannen, dachten wir, dass wir nach einem langen Tauchgang ein Muster erhöhter Erholungszeit sehen würden“, erklärt Quick. „Die Tatsache, dass dies nicht der Fall war, wirft nun viele andere Fragen auf.“ (Journal of Experimental Biology, 2020; doi: 10.1242/jeb.222109)
Quelle: The Company of Biologists