Biologische Recyclinghelfer: Cyanobakterien könnten dabei helfen, die begehrten Seltenerdmetalle zu gewinnen oder zu recyceln. Denn einige Blaualgenarten können Seltene Erden schnell und selektiv aus wässriger Lösung aufnehmen. In Tests reicherten die Cyanobakterien innerhalb weniger Minuten bis zu zehn Prozent ihrer Trockenmasse an Cer, Neodym, Terbium und Co an. Damit könnte diese Mikroorganismen zum Recycling und der Gewinnung der für Zukunftstechnologien wichtigen Seltenerdmetalle beitragen.
Ob Windkraftanlagen, Katalysatoren, Glasfaserkabel oder Bildschirme: Für zahllose Hightech-Anwendungen sind Seltenerdmetalle unverzichtbar – entsprechend begehrt sind die 17 Elemente der Seltenen Erden. Doch der Nachschub ist knapp und teuer, zudem kommt der größte Teil dieser Metallrohstoffe zurzeit aus China. Zwar wurde kürzlich in Schweden ein großes Seltenerd-Vorkommen entdeckt, der Abbau der Rohstoffe ist jedoch aufwendig und umweltschädlich.
Entsprechend wichtig ist es, parallel auch effiziente Recyclingmethoden zu entwickeln, um die wertvollen Seltenerdmetalle aus ausgedienter Elektronik oder Industrie- und Bergwerksabwässern wiederzugewinnen. Erprobt werden dabei unter anderem selektive Absorber, aber auch das sogenannte Flash-Joule-Heating.
Blaualgen im Biosorptionstest
Eine weitere effektive und umweltfreundliche Recyclingmethode haben nun Michael Paper von der Technischen Universität München (TUM) und sein Team entdeckt. Sie hatten untersucht, ob sich Cyanobakterien möglicherweise als Recyclinghelfer für Seltenerdmetalle eignen. „Cyanobakterien haben schon vielversprechende Absorptionsfähigkeiten für verschiedene Schwermetalle gezeigt und könnten sich daher für die Extraktion von Metallen auch im großtechnischen Maßstab eignen“, erklärt das Team.
Für ihre Studie sammelten die Forscher zwölf Cyanobakterien-Arten aus ganz unterschiedlichen Stämmen und Lebensräumen, darunter Arten aus Gewässern und dem Boden, aber auch Blaualgenarten, die in Flechten, im Gestein oder auf Wüstenböden vorkommen. Die meisten dieser Stämme wurden zuvor noch nie auf ihr biotechnologisches Potenzial hin untersucht. Für die Tests gaben Paper und sein Team die Cyanobakterien in Lösungen, in denen zwischen 0,5 und zehn Millimol der Seltenerdmetalle Cer, Lanthan, Terbium oder Neodym gelöst waren.
Schnelle und effiziente Anreicherung
Das Ergebnis: Alle untersuchten Blaualgenarten konnten die Seltenen Erden aus der Lösung absorbieren und in ihren Zellen anreichern. Fünf Arten, darunter Nostoc sp., Desmonostoc muscorum und Synechococcus elongates, erwiesen sich dabei als besonders effizient: Sie nahmen die Seltenerdmetalle selbst bei geringer Lösungskonzentration auf und reicherten sie auf bis zu zehn Prozent ihres Trockengewichts an. Die Absorptionskapazität lag zwischen 84,2 und 91,5 Milligramm pro Gramm, wie das Team berichtet.
Positiv auch: Diese Biosorption verlief sehr schnell. Schon nach fünf Minuten hatten die Cyanobakterien den größten Teil der gelösten Seltenerdmetalle aufgenommen, dann erreichte ihre Absorption ein Plateau. Möglich ist die Aufnahme durch die Chemie der Bakterienzellwände: „Die Cyanobakterien weisen einen hohen Anteil an Zuckerverbindungen auf, die negative Ladungen tragen. Diese ziehen positiv geladene Metallionen an, die so an die Biomasse gebunden werden“, erklärt Paper. Der Prozess läuft am effektivsten ab, wenn der pH-Wert der Lösung bei fünf liegt.
Biosorption auch in Anwesenheit anderer Metalle
Ergänzende Analysen zeigten, dass die Biosorption der Seltenerdmetalle auch dann noch funktioniert, wenn andere Metalle in der Lösung präsent sind. In Tests war die Affinität der Cyanobakterien für Cer höher als für Aluminium, Blei, Zink oder Nickel, solange die Metallkonzentration unterhalb von vier Millimol pro Liter lag. „Bei höheren Konzentrationen neigen die Metalle dazu, Cer zu ersetzen“, so die Forscher.
„Dies sind vielversprechende Ergebnisse für eine industrielle Anwendung, denn dabei sind die Metallkonzentrationen gewöhnlich niedriger als die höchsten in unseren Experimenten getesteten“, scheiben Paper und seine Kollegen. Sie gehen davon aus, dass die gute Biosorption der Cyanobakterien nicht nur für die vier exemplarisch getesteten Seltenerdmetalle gilt, sondern für alle 17 Elemente dieser Gruppe, da sie ein sehr ähnliches chemisches Verhalten zeigen.
„Ein großer Vorteil ist außerdem, dass der Prozess reversibel ist“, erklärt Koautor Thomas Brück von der TU München. „Das bedeutet, wir können die Metalle auswaschen und die Biomasse wiederverwenden.“ Die Wissenschaftler wollen nun ihre Versuche im Rahmen eines Folgeprojekts in einem größeren Maßstab weiterführen, um die industrielle Anwendung dieser Biosorption durch Cyanobakterien voranzubringen. (Frontiers in Bioengineering and Biotechnology, 2023; doi: 10.3389/fbioe.2023.1130939)
Quelle: Technische Universität München