Der Darm spielt eine entscheidende Rolle als Helfer gegen eine Autoimmunkrankheit: Er programmiert „Amok laufende“ Helferzellen des Immunsystems um. Dadurch fördern sie die Entzündungen nicht mehr, sie hemmen sie. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, könnte damit ein erster Schritt für eine mögliche Heilung von Autoimmunkrankheiten entdeckt worden sein.
Bei Autoimmunkrankheiten, wie beispielsweise Multiple Sklerose oder Rheuma, werden Körperzellen als vermeintliche Fremdkörper identifiziert und angegriffen. Dieses Fehlverhalten kann zu heftigen Entzündungen führen und die davon betroffenen Organe erheblich schädigen. Eine Heilung ist deshalb oft schwierig, da das komplette Immunsystem des Betroffenen blockiert werden müsste, dadurch aber auch schutzlos gegen Krankheitserreger ist.
Helferzellen fördern Entzündungen
Eine vielversprechende Entdeckung machte nun ein Forscherteam um den Neuroimmunologen Enric Esplugues vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin und Exzellenzcluster NeuroCure.
In seiner aktuellen Studie beschäftigte sich das Forscherteam näher mit den Helferzellen Th-17, die für die Produktion eines entzündungsauslösenden Proteins verantwortlich sind. Verschiedene T-Helferzellen unterstützen das menschliche Immunsystem. Eine davon ist die Th17-Zelle, die erst vor wenigen Jahren entdeckt wurde.
Bisher konnten sie nicht näher charakterisiert werden. Bekannt ist aber, dass diese Zellen äußerst aktiv sind, was sie zu nützlichen Helfern im Kampf gegen Bakterien und Viren macht. Ist diese Aktivität aber gegen den eigenen Körper gerichtet, wie bei Autoimmunkrankheiten, kann es gefährlich werden. Sie besitzen die besondere Eigenschaft, im Falle von auftretenden Entzündungen Immunzellen abrufen zu können und beschleunigen so die Zerstörung des Krankheitserregers im Körper.
Darm programmiert Zellen um
In seiner Studie fand das Team die Antwort, wie und wo diese „gefährlichen“ Zellen kontrolliert werden können. Offenbar spielt der Dünndarm dabei eine wesentliche Rolle. Während einige Zellen dort abgebaut werden, nehmen die Helferzellen Charaktereigenschaften an, die eine ungewollte Immunreaktionen stoppen. Die Forscher waren fasziniert zu sehen, dass die TH17-Zellen im Darm „umprogrammiert“ werden können, sie drastisch ihre Funktion ändern und so zu effektiven Helfern bei Immunkrankheiten werden.
„Dies ist absolut neu für uns und sehr interessant, da sie die Aktivität der überschüssigen, entzündlichen Reaktionen des Immunsystems hemmen, die durch Autoimmunkrankheiten ausgelöst werden. Diese Ergebnisse lassen annehmen, dass es möglich sein könnte, lebensbedrohliche Immunreaktionen verursacht durch eine Überaktivität der TH17-Zellen, zu vermeiden, indem die Zellen umgeleitet und dadurch im Darm kontrolliert werden können,“ erklärt der Wissenschaftler.
Dies weckt Hoffnungen, dass hiermit ein erster Schritt für eine mögliche Heilung von Autoimmunkrankheiten entdeckt wurde. Die Forscher hoffen, in Zukunft Erkrankungen wie rheumatoide Artritis und Multiple Sklerose eindämmen zu können und mögliche neue Therapien zu entwickeln. (Nature, 2011; DOI: 10.1038/nature10228)
(Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin, 20.07.2011 – NPO)