Die Entwicklung von Krankheitserregern ist enger mit unserer natürlichen Darmflora verzahnt als bisher angenommen. Die Entzündung des Darms, beispielsweise bei einer Salmonelleninfektion, löst eine hundertfache Vermehrung nicht nur des Erregers, sondern auch bestimmter unschädlicher Bakterien aus. Diese Bakterienschwemme erleichtert es den Mikroben dann, Gene untereinander auszutauschen, darunter auch solche für Antibiotikaresistenzen oder neue Erregerstämme. Das hat ein internationales Forscherteam in Versuchen mit Mäusen herausgefunden.
Der jetzt entdeckte intensive Genaustausch könnte erklären, warum immer wieder neue Varianten von Krankheitserregern entstünden. Ein Beispiel dafür sei der im letzten Jahr in Deutschland grassierende EHEC-Stamm von Escherichia coli, berichten die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
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Genaustausch durch direkten Kontakt
Um Gene auszutauschen, lagern sich zwei Mikroben eng aneinander und übertragen ringförmige Erbgutteile über Zellfortsätze an ihren Partner. Voraussetzung für diese sogenannte Konjugation ist jedoch, dass die Bakteriendichte hoch ist und ein direkter Kontakt zwischen den Mikroben möglich. Normalerweise sei die Dichte der in Frage kommenden Bakterien in gesunden Darm viel zu gering, um einen effektiven Gentransfer zu erlauben, sage die Forscher. Doch in Versuchen mit Mäusen, die mit dem Durchfallerreger Salmonella enterica infiziert waren, habe man festgestellt, dass eine Darminfektion dies rapide ändere und optimale Bedingungen für den Genaustausch erzeuge
Nach Ansicht der Forscher widerlegen die neuen Erkenntnisse die gängige Lehrmeinung einer völlig getrennten Evolution von Krankheitserregern und harmlosen Mitbewohnern des Menschen. Stattdessen seien beide eng miteinander verwoben. „Patienten mit einer Darminfektion könnten daher die Ausbreitung von Faktoren fördern, die Bakterien widerstandsfähiger, aggressiver oder auch resistent gegenüber Antibiotika machen“, schreiben Bärbel Stecher von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und ihre Kollegen.
Salmonellen-Infektion fördert Vermehrung von Escherichia coli
Wie die Forscher herausfanden, bewirkt die durch den Erreger ausgelöste Darmentzündung, dass sich bestimmte Arten in der Darmflora besonders stark vermehren. Zu diesen sogenannten Enterobacter-Mikroben gehört auch Escherichia coli. Nach der Infektion mit Salmonellen habe sich der normalerweise geringe Anteil von Escherichia auf bis zu 80 Prozent erhöht, berichten die Wissenschaftler.
Die Verschiebung des natürlichen Gleichgewichts der Darmflora fördere den Genaustausch zwischen Salmonellen und diesen Enterobactern. „Erstaunlicherweise war die Übertragungsrate dabei extrem hoch, sie lag bei fast 100 Prozent“, schreiben Bärbel Stecher von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und ihre Kollegen. Eine Schlüsselrolle für diese hohe Effektivität spiele die im Darm ausgelöste Entzündung, außerdem würden bei dem Transfer auch Gene ausgetauscht, die die Überlebensfähigkeit der Mikroben erhöhten. (PNAS, 2012; doi:10.1073/pnas.1113246109)
(PNAS, 10.01.2012 – NPO)