Biologie

Das sechste Massenaussterben ist im Gange

Aussterbe-Rate liegt bei Wirbeltieren bis zu 100 Mal höher als normal

Das sechste Massenaussterben hat begonnen - und schuld ist der Mensch © NASA/GSFC

Jetzt ist es amtlich: Das sechste große Massenaussterben der Erdgeschichte ist in vollem Gange – und Urheber ist der Mensch. Durch unseren Einfluss liegt der Artenverlust allein unter den Wirbeltieren heute 100 Mal höher als es der normalen „Hintergrundrate“ entspricht, wie Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten. Gehe dieses Massenaussterben ungebremst weiter, werde die Menschheit schon in drei Generationen die Folgen deutlich spüren.

Ob der Dodo, die Goldkröte oder die Steller Seekuh – seitdem der Mensch über den Planeten dominiert, bleiben immer mehr Plätze im riesigen Mosaik der Natur leer. Angesichts des Artenschwunds warnen Forscher bereits vor leeren Landschaften, stellen Listen der bedrohtesten Arten auf und warnen vor einschneidenden Verlusten bei Zugvögeln, Meerestieren und Reptilien.

Sind wir schuld an einer neuen Arten-Katastrophe?

Angesichts dieser Entwicklung wird schon länger darüber diskutiert, ob das sechste große Massenaussterben der Erdgeschichte nicht längst begonnen hat – mit uns Menschen als Urhebern. Die Belege dafür waren jedoch bisher nicht eindeutig, vor allem weil von vielen Tiergruppen verlässliche und vollständige Daten fehlen. Gerardo Ceballos von der Autonomen Universität Mexiko und seine Kollegen haben dies nun erneut untersucht und beschränkten sich dabei auf die relativ gut untersuchten Wirbeltiere.

1989 ausgestorben: die Goldkröte (Incilius periglenes) © Stanford University

Für ihre Studie werteten die Forscher Daten zum weltweiten Aussterben von Wirbeltierarten der letzten rund 500 Jahre aus und verglichen diese mit der sogenannten Hintergrundrate – dem Artenschwund, der als normale Folge der Evolution gilt. Für diese gingen sie von einem doppelt so hohen Wert aus wie vorherige Schätzungen: Sie kalkulierten, das unter normalen Umständen, ohne den Einfluss des Menschen, alle hundert Jahre zwei pro zehntausend Wirbeltierarten aussterben würden.

„Es gibt keine Zweifel mehr“

Das Ergebnis ist deutlich – und alarmierend: „Unsere Analyse zeigt, dass der jetzige Artenschwund dramatisch über den natürlichen Aussterberaten liegt“, so Ceballos und seine Kollegen. Bis zu 100 Mal mehr Spezies gehen verloren, als es ohne den Menschen der Fall wäre. Normal wäre beispielsweise der Verlust von neun Wirbeltierarten seit dem Jahr 1900. Stattdessen starben in dieser Zeit 468 Spezies aus, wie die Forscher berichten.

„Unsere Daten sprechen dafür, dass das sechste große Massenaussterben der Erdgeschichte längst begonnen hat“, sagt Ceballos. „Unsere globale Gesellschaft hat angefangen, andere Organismen in einem immer schnelleren Tempo zu zerstören.“ Das Ausmaß dieses Artenschwunds liegt dabei höher als jemals zuvor in den letzten 65 Millionen Jahren. Und sehr wahrscheinlich sind die nun ermittelten Raten sogar noch stark unterschätzt, wie die Forscher betonen.

Das sechste Massenaussterben hat begonnen – Forscher erklären, warum.© Stanford University

Auch unser Überleben ist gefährdet

Geht dieses Massenaussterben ungebremst weiter, wären die Folgen nicht nur für die Natur dramatisch, wie Koautor Paul Ehrlich von der Stanford University betont: „Wir sägen uns auch selbst den Ast ab, auf dem wir sitzen.“ Denn überlebenswichtige ökologische Funktionen, wie die Bestäubung unserer Nahrungspflanzen oder die biologische Selbstreinigung von Gewässern, sind von der Artenvielfalt abhängig.

Gehen diese Dienste der Natur verloren, trifft dies auch die Menschheit. „Wenn diese Entwicklung anhält, werden die Menschen schon in drei Generationen auf viele Leistungen der Artenvielfalt verzichten müssen“, warnen Ceballos und seine Kollegen. Die Natur werde sich zwar im Laufe von Millionen Jahren wieder erholen – so lange könne der Mensch aber nicht warten. „Noch ist ein so dramatischer Schwund der Biodiversität abwendbar, wenn wir die Artenschutzbemühungen intensivieren – aber das Zeitfenster schließt sich schnell.“ (Science Advances, 2015; doi: 10.1126/sciadv.1400253)

(Stanford University, 22.06.2015 – NPO)

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