Biologie

Delfine vergessen die Namen ihrer Freunde nie

Der Signaturpfiff von Bekannten wird auch nach 20 Jahren Trennung noch erkannt

Delfin © SXC

Delfine haben ein besseres Namenssgedächtnis als mancher Mensch: Auch nach mehr als 20 Jahren erkennen sie noch den individuellen Signalpfiff von Artgenossen, mit denen sie schon einmal Kontakt hatten. Dafür braucht es nicht einmal eine jahrelange Beziehung: Es reicht aus, wenn der frühere Kontakt wenige Monate angedauert hat, wie ein US-Forscher im Expierment herausfand.

Sie sind einzigartig im Tierreich: Nur von Delfinen ist bisher bekannt, dass sie individuelle Namen besitzen – wenn auch in Form von speziellen Pfiffen. Aufnahmen belegen, dass etwa die Hälfte aller Pfeiflaute der Meeressäuger aus diesen Signaturpfiffen bestehen – die Tiere rufen quasi regelmäßig ihren Namen ins Meer hinaus. Ihre Artgenossen können sie anhand dieser Pfeiflaute identifizieren. Die Meeressäuger signalisieren damit aber nicht nur ihre eigenen Identität, sie imitieren auch die Namenspfiffe von Artgenossen, um mit diesen in Kontakt zu treten.

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Eine Sache aber blieb bisher ungeklärt: Was passiert, wenn sich Delfin-Gefährten nach einiger Zeit trennen? Gilt dann „aus den Augen, aus dem Sinn“ für die individuellen Pfiffe? Oder behalten die Delfine die Namen früherer Begleiter im Gedächtnis? Sinn ergeben würde eine solche Strategie durchaus, wie Jason Bruck von der University of Chicago erläutert. Denn der eigene Signaturpfiff begleitet einen Delfin, soweit man weiß, sein gesamtes Leben lang unverändert – ähnlich wie bei uns unser Name.

Hinzu kommt, dass Delfine in einer sehr komplexen Gesellschaftsstruktur leben, einem sogenannten Fission-Fusion-System: Immer wieder verändert sich ihre Gruppenzusammensetzung, weil beispielsweise junge Männchen ihre ursprüngliche Schule verlassen und sich vorübergehend zu Junggesellenverbänden zusammenschließen. Ein gutes soziales Gedächtnis wäre daher von großem Nutzen für die Tiere – schließlich ist es sehr viel einfacher, potenzielle Feinde oder Allianzen zu erkennen, wenn man weiß, ob man sein Gegenüber schon kennt oder nicht.

Pfiffe früherer Bekannter als Test

Für seine Studie führte Bruck Tests mit 63 Delfinen durch. Ein Teil davon gehörte zu einem Zuchtprogramm, das regelmäßig Tiere zwischen Einrichtungen austauschte, andere stammten aus einem kalifornischen Institut. Zunächst bestimmte der Forscher, welche Tiere welche Artgenossen kannten und wie lange sie jeweils zusammen in einem Becken gehalten worden waren. Berücksichtigt wurden dabei Beziehungen von mindestens drei Monaten, die längste hatte mehr als 18 Jahre gedauert. Die Tiere mussten zudem mindestens sechs Monate lang getrennt gewesen sein. Die längste Trennung, die Bruck erfasste, dauerte 20,5 Jahre.

Anschließend spielte der Forscher seinen Testtieren zunächst die Pfiffe ihnen unbekannter Delfine per Unterwasserlautsprecher vor, und zwar so lange, bis sich die Meeressäuger langweilten. Dann folgten entweder ein weiterer unbekannter Pfiff oder aber der Pfeif-Name eines Artgenossen, den die Testdelfine aus ihrer Vergangenheit kannten. Entscheidend für Bruck war dabei die Reaktion der Delfine auf diese verschiedenen Pfiffe: Wendeten sie den Kopf in Richtung Lautsprecher? Näherten sie sich ihm und wenn ja, wie nah schwammen sie heran? Versuchten sie gar, körperlichen Kontakt mit dem Lautsprecher aufzunehmen?

Eindeutiges Wiedererkennen auch nach 20 Jahren

Das Ergebnis: Bei unbekannten Pfiffen reagierten die Delfine gar nicht bis sehr schwach. Ertönte dagegen der Name eines früheren Bekannten, fiel die Reaktion drastisch stärker aus, wie der Forscher berichtet. Dabei war es überraschenderweise egal, wie lange die Tiere früher Kontakt hatten, ob sie verwandt waren und wie lange sie getrennt gewesen waren – selbst die über 20-jährige Trennung schien die Erinnerung an den vertrauten Signaturpfiff nicht beeinträchtigt zu haben.

Da Delfine in freier Wildbahn eine Lebenserwartung von etwa 25 Jahren haben, könne man schlussfolgern, dass sie die Namens-Pfiffe ihrer Bekannten ihr ganzes Leben lang im Kopf behalten, resümiert Bruck. Die hier beobachteten 20 Jahre seien dabei der längste Zeitraum überhaupt, für den jemals ein soziales Gedächtnis bei Tieren nachgewiesen werden konnten.

Was den Verhaltensforscher jetzt als nächstes interessiert, ist die Frage, ob diese Art des Gedächtnisses direkt mit der Intelligenz von Tieren verknüpft oder sogar eine Voraussetzung für höhere kognitive Fähigkeiten ist. Dazu müsste nun das soziale Erinnerungsvermögen weiterer Tierarten untersucht werden – allen voran natürlich Elefanten, die in ähnlichen Gruppenstrukturen leben wie Delfine und von denen es ebenfalls Berichte darüber gibt, dass sie noch nach zehn Jahren Artgenossen erkennen können. (Proceedings of the Royal Society B, 2013; doi: 10.1098/rspb.2013.1726)

(Royal Society, 07.08.2013 – ILB)

Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Persönlichkeitsrechte für Tiere - Die nächste Stufe der moralischen Evolution Von Karsten Brensing

Wale & Delfine - Arten, Lebensräume, Verhalten von Rüdiger Wandrey

Tierisch intelligent - Von schlauen Katzen und sprechenden Affen von Immanuel Birmelin

Wilde Intelligenz - Was Tiere wirklich denken von Marc D. Hauser

Top-Clicks der Woche